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Die Verfolgung Homosexueller nach § 175 in der NS-Zeit Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf
Bereits kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden die Maßnahmen gegen Homosexuelle deutlich verschärft. Ende Februar 1933 wurde die Bürgerrechtsbewegung Homosexueller und ihre Presse verboten sowie eine Anweisung zur Schließung bekannter Szene-Lokale herausgegeben. In Düsseldorf erfolgte die Schließung der bekannten Homosexuellen-Lokale sogar schon einige Tage vor dieser Anweisung.
Im September 1935 trat eine Verschärfung des § 175 in Kraft, wonach nicht nur sogenannte "beischlafähnliche Handlungen", sondern allgemein "homosexuelle Handlungen" kriminalisiert wurden. In einigen Fällen sollte für eine Verurteilung ein Blickaustausch oder ein Gespräch ausreichen. Auch das Strafmaß wurde spürbar angehoben und männliche Prostitution mit besonders hohen Strafen belegt. Der § 175 diente den Nationalsozialisten auch als Instrument zur Kriminalisierung von bündischen Jugendlichen und Angehörigen der katholischen Kirche und bereitete zugleich den Boden für ein aktives Vorgehen gegen die in die Anonymität abgedrängte Homosexuellen-Szene.
Bei der Verfolgung Homosexueller sollten gleichzeitig Kriminalpolizei und Geheime Staatspolizei (Gestapo) tätig werden. Allein die Gestapo verhaftete in Düsseldorf etwa 400 Männer wegen "homosexueller Handlungen". Damit war Düsseldorf die Stadt mit den meisten Festnahmen nach § 175 in ganz Westdeutschland. Im Sommer 1937 führte die Gestapo die ersten großen Razzien durch. Ende März 1938 begann eine weitere "Aktion gegen die übrigen Homosexuellen", die von einem Sonderkommando der Gestapo in Angriff genommen wurde. Diese Verhaftungswellen folgten einem ganz bestimmten Muster: Insbesondere in und um die bekannten Homosexuellentreffpunkte wurden Razzien durchgeführt, bei denen hauptsächlich Strichjungen verhaftet wurden, die dann im Anschluss an ihre Festnahme häufig von der Gestapo als Lockvögel oder Spitzel benutzt wurden. Den Festgenommenen wurden durch massive Misshandlungen, die von einer völlig menschenunwürdigen Unterbringung bis zu schwerer körperlicher Gewalt reichten, Aussagen über weitere Verdächtige abgepresst.
Die Gerichte in Düsseldorf verhängten durchschnittlich fünf bis sechs Monate Gefängnis für Verstöße gegen den § 175. In Gefängnissen und Strafgefangenenlagern wurden homosexuelle Häftlinge nach Möglichkeit in Einzelhaft genommen und besonders gefürchteten Arbeitskommandos zugeteilt. Unabhängig von einem Gerichtsurteil verfügte die Gestapo über die Möglichkeit, Menschen in Konzentrationslager einzuliefern. In Düsseldorf wurden solche KZ-Einweisungen in der Regel gewissermaßen als "Korrektur" gerichtlicher Urteile vorgenommen, also etwa nach Entlassung aus der Untersuchungshaft, nach einem Freispruch im Gerichtsverfahren oder unmittelbar nach der Strafverbüßung.
Viele Homosexuelle beantragten unter dem Druck, im Falle einer Weigerung in ein KZ eingeliefert zu werden, ihre "freiwillige" Kastration. Solche Zwangskastrationen wurden für West- und Nordwestdeutschland zentral im Düsseldorfer Gefängniskrankenhaus durchgeführt. Die rechtliche Diskriminierung wurde nach dem Krieg bis 1990 beibehalten. Entschädigungszahlungen an homosexuelle NS-Verfolgte wurden bis heute praktisch nicht geleistet.