Inhalt Seitenleiste

Kritische Antworten auf "Ostalgie" und "Wendehälse"

Gedenkstättenfahrten zum Umgang mit dem DDR-Unrecht: Neue Seminarkooperation von Geschichtsort Villa ten Hompel und Katholisch-Sozialer Akademie Franz Hitze Haus

Verfasst am 11. Januar 2007

Der Vertrauensbeweis aus Düsseldorf ist eine enorme Ermutigung für den Geschichtsort Villa ten Hompel und die Katholisch-Soziale Akademie Franz Hitze Haus. So gab die Landeszentrale für politische Bildung in Nordrhein-Westfalen mit einem Zuschuss grünes Licht für das neue Langfristprojekt der beiden Kooperationspartner für historische Jugendbildung in Münster. Es nimmt ein schwieriges Kapitel jüngster Zeitgeschichte in den Blick: Den Umgang mit dem Erbe der DDR-Diktatur, der deutschen Teilung und der friedlichen Revolution des Jahres 1989. Damit ist die Villa ten Hompel die erste Erinnerungsstätte im bevölkerungsreichsten Bundesland, die ausdrücklich auch die Opfer und Leidtragenden realsozialistischer Herrschaft würdigt wie auch Täter des Kalten Krieges benennt – ohne dabei jedoch in historisch hinkende Vergleiche von "brauner" und "roter" Diktatur zu verfallen.

Das Gebot sorgfältigster Differenzierung zieht sich durch die gesamte Projektkonzeption, wie die Leiter Prof. Dr. Thomas Sternberg (Akademie Franz Hitze Haus) sowie Prof. Dr. Alfons Kenkmann und Christoph Spieker (Geschichtsort Villa ten Hompel) bei der Festlegung zentraler Eckpunkte und des Titels betonten: "DDR – das Leben der ‚Anderen’". Ab dem neuen Schuljahr werde es unter dieser provokanten Überschrift eigens Seminare mit SED-Gedenkstättenfahrten für Jugendliche und junge Erwachsene aus dem Stadtgebiet von Münster und dem Land NRW geben. Inhaltlich fundiert, dabei altersgerecht und ansprechend ausgestaltet. Das innovative Angebot stelle nicht nur eine kritische Antwort auf "Ostalgie" und jüngste Versuche von Stasi-Veteranen dar, Unrecht zu relativieren, sondern biete vor allem einen Ansatz, um mehr Sensibilität für den Wert der Einheit in Freiheit, föderaler Vielfalt und Verantwortung zu schaffen. Die DDR auf Mauer und Stacheldraht oder gar auf "Good bye Lenin" und Spreewaldgurken zu reduzieren sei ebenso fragwürdig wie engstirniges Denken, dass es nur "Kosten im Osten" und "Wendehälse" oder aber "Besserwessis" gebe, die im "Beitrittsgebiet" alles bestimmten. An die Stelle von Parolen seien gemeinsame Perspektiven und historisches Gespür zu setzen, um Stolpersteine auf dem Weg zur "inneren Einheit" auszuräumen, hieß es.

Als Projektträger wurde bewusst der von Bürgerinnen und Bürgern gebildete Förderverein Villa ten Hompel e.V. gewählt, dem die Landeszentrale extra für die Auflage des neuen Exkursionsprogramms 10.000 Euro bewilligte. Die Planungen in der neunköpfigen Vorbereitungsgruppe koordinieren Rachel Fabritius vom Fachbereich "Junge Akademie" im Hitze Haus und Stefan Querl, der zum Team des städt. Geschichtsortes Villa ten Hompel gehört. Wobei mit Jessica Bönsch, Judith Forysch, Gundula Klein, Oliver Marke, Susanne Muhle, Linda Jo Siemon und Friederike Stuke langjährig erfahrene und engagierte Mitwirkende aus beiden Institutionen gewonnen werden konnten.

Aktuell gefördert werden mit den Mitteln aus dem Fachressort von Armin Laschet, Landesminister für Generationen, Familie, Frauen und Integration, jedoch nicht etwa einzelne Seminartermine, sondern konzeptionelle Weichenstellungen durch Quellensichtung, Ziel- und Zeitzeugen-Auswahl sowie die Entwicklung didaktischer Module, die im Januar in einer Pilotphase erstmals zur Anwendung kommen. Pädagogisch wertvolle Unterstützung werden das Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium der Stadt Münster und andere externe Ratgeber leisten. Einbezogen sind symbolträchtige Gedenkstätten: das Dokumentationszentrum "Berliner Mauer" an der Bernauer Straße, das frühere Geheimgefängnis Hohenschönhausen, in dem die Sowjet-Macht und später die Stasi Andersdenkende einsperrte, verhörte und folterte, sowie die vergleichsweise junge Erinnerungsstätte am Ort des Notaufnahmelagers Marienfelde, das für Menschen aus der DDR vor 1989/90 in West-Berlin oft erste Anlaufstelle und Unterkunft war - egal, ob nun geflohen, ausgebürgert oder ausgereist.

Seit knapp zehn Jahren arbeiten Akademie Franz Hitze Haus und Villa ten Hompel in der historischen Jugendbildung eng zusammen. Ihr erstes Großprojekt "Aus der Geschichte lernen?!", das Begegnungen mit KZ-Gedenkorten ermöglicht, genießt in Fachkreisen bundesweit Anerkennung und ist weit im Voraus ausgebucht.

Nähere Infos zum neuen Projekt: Tel. 0251/9818-430 (Rachel Fabritius, Katholisch-Soziale Akademie Franz Hitze Haus) oder Tel. 0251/492-7107 (Stefan Querl, Geschichtsort Villa ten Hompel).

zurück