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NS-Verbrechensrelikte der „Aktion Reinhardt“ vor Augen

Exkursionsgäste aus Schulen, Jugend- und Erwachsenenbildung informierten sich in Majdanek, Bełżec, Sobibór. Anlass für Analysen zur Erinnerungskultur und Geschichtspolitik in Deutschland und in Polen im Vergleich.

Verfasst am 28. Oktober 2018

Über Warschau führte jüngst eine Exkursion nach Lublin und zu Orten der Erinnerung an deutsche Besatzungsverbrechen und deren Opfer im Zweiten Weltkrieg in Ostpolen. Lehrerinnen, Lehrer und engagierte Beschäftigte aus deutschen NS-Gedenkstätten u.a. Bildungseinrichtungen nutzten die Fahrt als Fortbildung, um unter Regie des Bildungswerks der Humanistischen Union NRW, des Fördervereins Villa ten Hompel, des Internationalen Bildungs- und Begegnungswerkes Dortmund und des Staatlichen Museums Majdanek die Relikte der unter dem Namen „Aktion Reinhardt“ besonders getarnten NS-Massenverbrechen in Augenschein zu nehmen.

Bełżec und Sobibór als Gedenkstätten wurden aufgesucht, ebenso Stationen in Warschau am so genannten „Umschlagplatz“ und am Mahnmal für das frühere Ghetto, an dem Bundeskanzler Willy Brandt symbolträchtig 1970 einen Kniefall vollzogen hatte während seines Staatsbesuchs in der kommunistischen „Volksrepublik“ Polen. Die Wechselwirkungen von Erinnerungskultur und Politik im Kalten Krieg bis 1989/90 waren während des Programms ebenso Diskussionsthema wie die Frage nach Antisemitismus im Europa der Gegenwart und nach dem Umgang mit fast vergessenen, teils arg überformten Orten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, die in Polen wie Deutschland mehrheitlich unbekannt sind.

Dr. Paul Ciupke und Wiesław Wysok leiteten die Exkursion gemeinsam mit Stefan Querl aus dem Team des Geschichtsortes Villa ten Hompel in Münster. In Majdanek machte das Trio beim Rundgang die Rolle von Ordnungspolizei und SS im Zusammenwirken mit anderen Einheiten bei der so genannten „Aktion Erntefest“ während des Herbstes 1943 transparent: Unter Verweis auf die einschlägigen Forschungen des Historikers Dr. Stefan Klemp in der Schriftenreihe der Villa ten Hompel (Klemp ist jetzt tätig für die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache der Stadt Dortmund) beschrieb Stefan Querl das zynische Zusammenwirken der Direkt- und Schreibtischtäter, für die der Holocaust ein „arbeitsteiliger Prozess“ gewesen sei. Allein rund 43.000 jüdische Opfer seien bei den „Erntefest“-Erschießungen zu beklagen, die am Ende der „Aktion Reinhardt“ standen.  Dass heute in Lublin, der polnischen Partnerstadt von Münster, zivilgesellschaftliche Initiativen die Würdigung der Verbrechensopfer und NS-Verfolgten aktiv und sogar kreativ im kollektiven Gedächtnis halten, belegte ein Besuch des „Theaters NN“, der intensiv Eindruck in der Gruppe hinterließ.  Ermöglicht wurde die einwöchige Bildungsreise mit großzügiger Unterstützung der Landeszentrale für politische Bildung in Nordrhein-Westfalen. Folgeprojekte sind in Vorbereitung, etwa ein ähnlich akzentuiertes Exkursionsangebot in 2019/20, für das eine Interessentenliste geführt wird. Termin zzt. noch offen. Infos in Kürze beim HU-Bildungswerk NRW, Dr. Anke Hoffstadt unter Tel. 0201/227982 oder per Mail: buero@hu-bildungswerk.de

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