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Klares Nein zu Hass und Hetze

Ibrahim Arslan überlebte als Kind den rechtsextremen Brandanschlag von Mölln 1992. Anders als drei seiner Verwandten. Am heutigen Samstag wird er 36 Jahre alt. Der Familienvater begeht seinen Geburtstag ebenso nachdenklich wie voller Tatendrang, um Opfern politisch motivierter Gewalt mehr Gehör zu verschaffen. Zum Beispiel gemeinsam mit dem Geschichtsort Villa ten Hompel und mit Gegen Vergessen Für Demokratie im Münsterland.

Verfasst am 13. März 2021

Hanau, Halle, Hamburg, Hünxe, Hoyerswerda, Rostock oder Solingen: Die Reihe der Orte rechtsextremer Gewalt heute und bereits seit den 1980er und 90er Jahren ist erschreckend lang. Das gemeinsame Bekenntnis der Mehrheit gegen Hass und Hetze aber auch unmissverständlich deutlich: „Rassismus und Antisemitismus dürfen keinen Platz haben in unserer Gesellschaft“, wie jetzt der Zeitzeuge Ibrahim Arslan bekräftige, als er sich mit Stefan Querl aus dem Team der Villa ten Hompel in Hamburg traf und nachdenklich austauschte. Ganz gezielt und bewusst übrigens an einem Platz im Zentrum, der nach einem von Skinheads verprügelten und zu Tode gehetzten Opfer des braunen Mobs benannt ist: Nach dem jungen türkischen Familienvater Ramazan Avci, der seinen 1985 geborenen Sohn niemals kennen lernte: Der Übergriff an einer Bushaltestelle mit den tödlichen Folgen geschah nämlich kurz vor dessen Geburt. Zu Hinterbliebenen und dem Halbwaisen aus der Familie hält Ibrahim Arslan inzwischen engen Kontakt.

Arslan, selbst türkischstämmiger Deutscher, der als Kind mit knapper Not einen Brandschlag im schleswig-holsteinischen Mölln im Herbst 1992 überlebt hatte, wird am heutigen Samstag 36 Jahre alt. Anders als drei Verwandte von ihm, die in der Brandnacht ums Leben kamen, konnte die Feuerwehr ihn als kleinen Jungen aus dem Feuer retten und bergen – mit den Folgen der Ereignisse kämpft er hart, und zwar persönlich wie politisch bis heute. Er pocht aber andererseits auf Vernetzung und „Empowerment“, was ihm Kraft gibt und was positive Kreise zieht in Schulen, Jugendzentren, Unis und Gedenkstätten, die er aufsucht für Projekte, um Opfern rechtsextremer Gewalt mehr Gehör zu verschaffen. Die "Möllner Rede im Exil" gehört inzwischen als eine Serie von öffentlichen Großereignissen dazu, aber auch etwa das kleine, feine Format im Bundesfreiwilligendienst der Stadt Münster, das Nicole Sterthaus vom Zentrum "Jib" jüngst mit ihrem Team auf die Beine stellte als Online-Kooperation mit der Villa ten Hompel und mit "Gegen Vergessen Für Demokratie" im Münsterland. Menschen, die an dem Seminar teilnahmen, wollen sich in Kürze noch zu Worte melden und ihre Eindrücke sammeln und deutlich festhalten, denn was Ibrahim Arslan den scherzhaft "Bufdis" genannten Zuhörenden im Zoom berichtete, ging ernsthaft sehr unter die Haut.

Der Begriff „Opfer“ sei ihm übrigens durchaus wichtig und wertvoll. Er deute ihn jedoch anders als die meisten Menschen, erklärt Ibrahim Arslan. „Opfer sind nämlich nicht schwach“, was er extra stark betont. „Gemeinsam sind wir ja sogar noch stärker, und als Opfer-Zeugen sprechen wir Klartext.“ Zum Beispiel mit der Kritik, dass Namen von Täterinnen und Täter der Gesellschaft geläufiger seien als die der Anderen. „Bei Beate Zschäpe wissen viele sofort Bescheid. Sie weisen auf den NSU-Komplex und den Prozess seiner Zeit hin. Aber wie heißen zum Beispiel die Familien, die von dem Terror betroffen waren?“ Sensibler Persönlichkeitsschutz und öffentliche Würdigung seien, so Arslan, ihm gleichermaßen wichtig, auch das Reden über Scham und Schuld und politische Mitverantwortung, denn es seien eben längst nicht nur Einzeltäter am Werke. Es gebe Strukturen. „Vor allem gilt es, die Betroffenen und die Angehörigen erstmal anzuhören. Nicht alle möchten sprechen, klar, aber es ziehen sich auch längst nicht alle passiv bloß zurück.“ Auf etlichen Ebenen und deutschlandweit ist Ibrahim Arslan aktiv, und das keineswegs allein. Das Heriburg-Gymnasium in der Kreisstadt Coesfeld feiert ihn als Paten im Programm "Schule ohne Rassimus - Schule mit Courage."

Teil des Aufzeigens der Folgen politischer Gewalt für die Opfer und Familien sind auch die festen Formate gemeinsam mit „Gegen Vergessen Für Demokratie“, dem parteiübergreifenden Netzwerk, das für das Münsterland seinen Sitz in der Villa ten Hompel hat. Die Bundesvereinigung bietet aktuell aber auch Schulen und Einrichtungen der Bildungs- oder Jugendarbeit an, Ibrahim Arslan zu Gesprächen und zu Aktionen gegen Rassismus und Antisemitismus einzuladen. Freilich bei Bedarf online im Homeschooling in der Zeit des Infektionsschutzes. Die Termine dafür vergibt direkt die Zentrale in Berlin, die über bestimmte Projekte auch ein Kontingent kostenfreier Workshops bietet nach Verfügbarkeit. Im Münsterland kommen Regionalsprecherin Ursula Brenken oder Sprecher Stefan Querl gerne aktiv mit dazu. Kontakt: info@gegen-vergessen.de

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