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Clemens August Graf von Galen - Die Quellen sprechen lassen

Buchvorstellung mit Prof. Dr. Hubert Wolf in Münster

Verfasst am 01. Juni 2006

Im Geschichtsort Villa ten Hompel präsentierte der Münsteraner Kirchenhistoriker Prof. Hubert Wolf sein kürzlich erschienenes Buch „Clemens August Graf von Galen – Gehorsam und Gewissen“.

Das Interesse der Öffentlichkeit an der Person Graf von Galens scheint ungebrochen. So folgten mehr als 80 Personen der Einladung des k. Leiters der Villa ten Hompel Christoph Spieker, um unter dem Motto „Die Quellen sprechen lassen“ einen tieferen Einblick in die Vita des Kardinals zu erhalten. Ausgewählte Texte von Galens wurden zunächst von Rudolf Guckelsberger rezitiert. Darin angesprochene Themen fanden Eingang in die Fragen von Dr. Markus Köster, Leiter des Westfälischen Landesmedienzentrums, an den Autor. Prof. Wolf bettete die jeweiligen Quellen in den weiteren historischen Kontext ein, verwies auf Forschungsfragen und Kontroversen und vertiefte so Aussagekraft und Wirkung der Quellen.

Auszüge aus einer von Clemens August Graf von Galen verfassten Familienchronik gaben Einblick in seine behütete Kindheit in Dinklage, wo er seine entscheidende Prägung erfahren habe. Die dort verinnerlichten Werte und Tugenden von Gewissen und Gehorsam seien, so Wolf, zeitlebens Richtschnur seines Handelns geblieben. Sie ließen ihn jedoch während seiner Berliner Jahre auch die vermeintliche Sittenlosigkeit der in der Weimarer Republik kulturell aufblühenden Hauptstadt als Bedrohung wahrnehmen. Die „Analyse“ von Galens zu Gefahren der modernen Tänze sorgte zwar im Publikum für Heiterkeit, kennzeichnete ihn jedoch als Antimodernisten und Kulturpessimisten. Umstrittener als seine Einstellung zur kulturellen Moderne ist die seiner politischen Orientierung. Prof. Hubert Wolf verwies darauf, dass die Quellenlage den Vorwurf, von Galen sei Rechtskatholik gewesen, nicht entkräfte, aber keineswegs den Schluss auf eine nationalsozialistische Gesinnung zulasse. Als Anhänger des rechten Flügels der Zentrumspartei hätte er sich weder mit der „gottlosen“ Weimarer Republik, noch mit einem drohenden totalitären Staat identifizieren können. Die Xantener Predigt über den hl. Viktor als „Gehorsamverweigerer“ aus dem Jahr 1936 belegt, dass von Galen schon früh deutlich dazu aufrief, Missstände an die Öffentlichkeit zu tragen. Letztlich wandte er sich direkt an Rom, da die Mehrheit der Bischofs-konferenz eine öffentliche Kritik am Handeln des Staates ablehnte. Der sich herausbildenden Spannung zwischen Gehorsamkeit der Obrigkeit gegenüber einerseits und der Verpflichtung gemäß seinem Gewissen zu handeln andererseits, begegnete er mit einem eindrucksvollen Beispiel an Zivilcourage. Die von Herrn Guckelsberger vorgetragene Predigt von Galens vom 3.8.1941 dokumentierte die mutige Verurteilung und das engagierte Eintreten für ein Ende der Vernichtung „lebensunwerten Lebens“.

Nur wenige Wochen nach dieser Predigt erreichte Graf von Galen der Brief eines Juden, in dem dieser sich über die bevorstehende Pflicht den Judenstern zu tragen, beklagt. Hierzu jedoch schweigt von Galen. Prof. Wolf gestand, dass dieses Handeln vor dem Hintergrund seiner klaren Worte gegen die Euthanasie nur schwer zu verstehen sei, betonte aber die antijudaistischen Strömungen der Kirche bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil.

Dennoch scheint von Galen zumindest ein persönliches Interesse am Schicksal einzelner Juden gehabt zu haben. Der damalige Student Hans Kluge, späterer Leiter des Dezernats für Wiedergutmachung in der Villa den Hompel, das für die Entschädigung von NS-Verfolgten zuständig war, wurde im Auftrag von Galens 1938 zum Rabbiner Dr. Steinthal geschickt. Dort sollte er Erkundigungen über dessen Schicksal nach dem Novemberpogrom einholen.

Von Galen wird, wie alle deutschen Bischöfe, katholischer Antijudaist, nicht aber biologistischer Antisemit gewesen sein.

Zwei bislang nur im privaten Bereich gezeigte neue 8mm Filme über seinen Empfang in Münster nach der Kardinalserhebung im März 1946 und über seine Beisetzung beendeten die Lesung. Abschließend wies Prof. Hubert Wolf darauf hin, dass Clemens August Graf von Galen trotz seiner menschlichen Schwächen und Unzulänglichkeiten als „Seliger der Zivilcourage“ heute mehr denn je Beispiel und Vorbild sein kann und soll.

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