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Wenn Behörden sich ihrer NS-Vergangenheit stellen… NS-Gedenkstätten wirken bei Forschung und Vermittlung ihrer Ergebnisse oft mit
Als ein Historiker-Team um Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes und Moshe Zimmermann mit „Das Amt und die Vergangenheit“ 2010 auf die Mitwirkung des Auswärtigen Amtes am Holocaust aufmerksam machte, löste dies eine breite öffentliche Debatte aus. Neben der Presse bezogen auch Fachkollegen Stellung zu der auf mehrjähriger Forschung beruhenden Studie. Während von einigen Seiten mangelndes Differenzierungsvermögen oder auch sachliche Fehler vorgeworfen wurden, wollten andere Historiker neben der Kritik auch die Leistungen der Kommission hervorheben: Gerade die inhaltliche Kernaussage, das Auswärtige Amt sei massiv in NS-Verbrechen verstrickt gewesen und auch nach 1945 habe es eine Vielzahl an schwerbelasteten Beamten in der Behörde gegeben, wurde nicht angefochten.
Aktuell lassen beispielsweise noch das Arbeitsministerium und das Bundesministerium für Finanzen ihre Vergangenheit von Historikern durchleuchten. Andere Institutionen wie das Kanzleramt hingegen verzichten auf solche Untersuchungen.
Das Auswärtige Amt war dabei längst nicht die erste Institution, die ihre eigene Geschichte kritisch aufarbeiten ließ. Vor allem auf lokaler und regionaler Ebene gab es zuvor viele von Behördenseite unterstützte Studien – wenn auch mit geringerer medialer Resonanz.
Schon Ende der 1990er Jahre ließen die Finanzverwaltungen in Münster und Düsseldorf oder auch Hessen ihre Verstrickungen in die Ausplünderung und Verfolgung von Juden untersuchen. Die Ergebnisse in Münster wurden gemeinsam mit dem in dieser Zeit entstehenden Geschichtsort Villa ten Hompel unter Leitung des Arbeitskreis-Vorsitzenden Prof. Dr. Alfons Kenkmann ausgestellt. Und auch aktuell ist der Geschichtsort als städtischer Ansprechpartner an der Aufarbeitung der Rolle der Stadtverwaltung Münster im Nationalsozialismus durch das Historische Seminar der Uni Münster beteiligt.
Die Verbindung von innovativer Verwaltungsgeschichte und der Etablierung von Gedenkstätten wird neben Münster auch in Köln deutlich: Horst Matzerath, einer der besten Kenner der Geschichte deutscher Verwaltungen im Nationalsozialismus, war der erste Direktor des NS-Dokumentationszentrums im EL-DE-Haus. Auch hier sind die Pfade von Erinnerungskultur und Erforschung nationalsozialistischer Verwaltungen „vor der eigenen Tür“ schon deshalb eng miteinander verwoben.
Die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache in Dortmund hat sich im Rahmen der lokalgeschichtlichen Erforschung der nationalsozialistischen Vergangenheit intensiv mit dem Zwangsarbeitereinsatz befasst. Mit Ausstellungen, Vorträgen oder Exkursionen durch die Stadt werden dabei an verschiedenen Stellen neben der Industrie auch verschiedene Behörden als Akteure der Ausbeutung im Krieg thematisiert. So wie im Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen ist auch in Dortmund die Geschichte von Zwangsarbeitern und anderen Verfolgten noch nicht ausgeforscht, auf weitere Ergebnisse darf man gespannt sein.
Ein besonderer Zugriff auch zur Geschichte von Verwaltungen wurde in Düsseldorf gewählt. Dort war in den 1980er Jahren die Geschichte eines Gebäudekomplexes mit gleich mehreren Verwaltungsvergangenheiten Ausstellungsthema: Das Stadthaus beheimatete neben der SS und Gestapo zeitweise auch einzelne Ämter der Stadtverwaltung. Heute ist in dem Gebäude die Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf untergebracht. Eine neue Dauerausstellung wird dort im Frühjahr eröffnet. Auch hier zeigt sich, dass alle im Nationalsozialismus im Haus untergebrachten Behörden mehr oder weniger in die Verfolgung von politischen Gegnern, Juden, Sinti und Roma, Deserteuren, psychisch Kranken oder so genannten „Asozialen“ verstrickt waren. Seit kurzem kann über die Seiten der Düsseldorfer Einrichtung eine neue Publikation zur Geschichte des Stadthauses erworben werden.
Heute kommt unter Eindruck der NSU-Morde und ihrer Aufarbeitung der Geschichte des Verfassungsschutzes und anderer Sicherheitsdienste besondere Aufmerksamkeit zu. Neben Juristen widmen sich Historiker der jüngeren Geschichte dieser besonderen Behörden.
Was dann wiederum mit den wissenschaftlichen Ergebnissen geschieht, – ob eine öffentliche oder behördeninterne Aufarbeitung folgt – variiert von Ort zu Ort. Auch hier haben sich die Gedenkstätten vor Ort seit ihren frühen Jahren als Partner etabliert: Gemeinsam wurden didaktische Konzepte für die Ausbildung im Öffentlichen Dienst entwickelt oder Ausstellungen entworfen.

