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Vorsitzender des Arbeitskreises spricht auf internationaler Konferenz in Mexiko Vortrag zu Überlebensberichten jüdischer Kinder findet große Beachtung
Mündliche Erlebnisberichte sind für Historiker eine wichtige Quelle, um etwas über Alltag und Lebensumstände von Personen zu erfahren und vergangene Ereignisse besser rekonstruieren zu können. Die Untersuchung und Auswertung solcher Zeitzeugenaussagen nennt man in der Geschichtswissenschaft "Oral History". Im mexikanischen Guadalajara fand nun die 15. Internationale Konferenz zu diesem bedeutenden Forschungszweig statt. Als einziger Gastredner aus Deutschland erhielt Prof. Dr. Alfons Kenkmann aus Münster, Vorsitzender des Arbeitskreises der NS-Gedenkstätten in NRW und Geschichtsdidaktiker an der Universität Leipzig, von den Veranstaltern der "International Oral History Association" die Einladung, seine neusten Forschungsergebnisse vorzustellen.
Professor Kenkmann ist Mitherausgeber des viel beachteten Buches "Kinder über den Holocaust. Frühe Zeugnisse 1944-1948", das in diesem Jahr im Metropol Verlag erschienen ist (s. Rubrik "Literatur-Empfehlungen" auf dieser Seite). Der Band enthält eine Sammlung bewegender Überlebensberichte jüdischer Kinder, die unmittelbar nach dem Ende der deutschen Besatzung von Vertretern der Jüdischen Historischen Kommission in Polen befragt wurden. Noch unter dem Eindruck der Geschehnisse erzählten die Mädchen und Jungen von den ihnen widerfahrenen Drangsalierungen, ihrer Angst vor Verfolgung, mutigen Rettungsaktionen oder auch verweigerter Hilfe.
Die Dokumente sind seltene Zeugnisse, denn nur wenige jüdische Kinder haben den Völkermord in dem osteuropäischen Nachbarland überhaupt überlebt und konnten zudem so früh schon interviewt werden. Seit Ende der 1940er Jahre lagern die aufgezeichneten Protokolle im Jüdischen Historischen Institut in Warschau. Dessen langjähriger Leiter, Prof. Dr. Feliks Tych, entkam dem Holocaust selbst nur, indem er sich im Untergrund versteckt hielt. Auf seine Anregung hin entstand schließlich der Plan zur Veröffentlichung der Protokolle erstmals auch in deutscher Sprache. In einem gemeinsamen Projekt des Zentrums für Lehrerbildung und Schulforschung an der Universität Leipzig, des Jüdischen Historischen Instituts und der Vereinigung "Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V." konnten die beteiligten Mitarbeiter nun unter Vorsitz von Professor Kenkmann eine Auswahl von 55 Gesprächsmitschriften herausgeben. Die Leser haben den besonderen Wert der vorliegenden Edition bereits erkannt: Eine erste Auflage des Buches ist in Deutschland bereits vergriffen und auch im Ausland sorgt der Band für große Aufmerksamkeit.
Da die Überlenden von Unterdrückung und Verfolgung nach dem Zweiten Weltkrieg in allen Erdteilen ein neues Zuhause fanden, war der jetzige Austausch auf der internationalen Konferenz ungemein wertvoll. Die Diskussionen mit den zahlreichen Experten aus den USA, Südamerika, Asien und ganz Europa und brachten auch neue Anregungen für die Ende des Jahres in der Reihe "Didaktische Bausteine" des Geschichtsorts Villa ten Hompel erscheinende Publikation "Angst hatte ich vor Menschen, nicht vor Tieren".

