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Verein "Heimatsucher" zeigt Zeitzeugenportraits in der Alten Steinwache "Und was kam danach?" - Verein "Heimatsucher" präsentiert Portraits von Holocaustüberlebenden und erzählt über Wege zurück ins Leben
Die verantwortlichen Gastgeber, in Kooperation die Gedenkstätte Alte Steinwache und die Mitgründerinnen des Vereins Heimatsucher, unterstützt vom BVB, zeigen sich beeindruckt von der Fülle an Interessenten, die am Abend der Ausstellungseröffnung den Weg in die Gedenkstätte gefunden haben. Der kleine Vortragsraum ist bis auf den letzten Platz gefüllt und es findet sich ein bunt gemischtes Publikum, welches gekommen ist, um die Erzählungen des geladenen Ehrengastes zu hören.
Sigmund Pluznik - Ein polnischer Widerstandskämpfer zurück im Leben
Sigmund Pluznik, polnischer Widerstandskämpfer und Holocaustüberlebender, lässt den Dank seitens der Initiatorinnen Sarah Hüttenberend und Ruth-Anne Damm für seine Bereitschaft, den Anwesenden seine Geschichte zu erzählen, gar nicht zu. Er bedankt sich bei den zahlreichen jungen Menschen im Publikum für ihr Kommen und die Bereitschaft, sich mit seiner Geschichte auseinanderzusetzen. Während des Interviews berichtet er von seiner Kindheit und den Erfahrungen, die er als 15-Jähriger machen musste, als die Wehrmacht am 04.September 1939 seine Heimatstadt Bedzin besetzte. Von einem Tag auf den anderen bekam die jüdische Bevölkerung die Ausmaße der nationalsozialistischen Ideologie zu spüren, Verbote erschwerten das tägliche Leben, machten dies gar unmöglich. Dann der Schock: Bereits vier Tage nach der Besetzung Bedzins trieben Wehrmachtssoldaten jüdische Bewohner der Stadt in die Große Synagoge und zündeten diese an. Mindestens 400 Juden kamen dabei ums Leben.
Pluznik berichtet den gespannten Zuhörern, dass er sich einer geheimen zionischen Jugend anschloss, die im Untergrund heimlich Schulunterricht organisierte. Für Pluznik sei dies sein erster Schritt des Widerstands gewesen. Das verweigerte Recht auf Bildung habe ihn bis heute stark geprägt, so der 90-Jährige, der im Jugendalter darunter gelitten habe, nicht richtig lesen und schreiben gelernt zu haben.
"Um Menschen zu retten, muss man kein Diplom haben oder Akademiker sein. Man muss ein warmes Herz haben."
Lebendig und anschaulich sind die Berichte des Überlebenden, der von seinem Überleben im Untergrund in Wien berichtet bis zu seiner Flucht 1944 nach Palästina. In Wien versteckte er sich nachts im Prater und verbrachte den Tag mit endlosen Straßenbahnfahrten. Dabei sei es wichtig gewesen, sich gut gepflegt zu zeigen, um nicht aufzufallen. Dabei sei es schwer gewesen, die tägliche Rasur durchzuführen. Daher erinnere er gern an die Toilettenfrau einer öffentlichen Toilette in der Nähe des Naturhistorischen Museums, welche eines Morgens eine frische Rasierklinge auf den Waschbeckenrand gelegt hatte. Sigmund Pluznik schaut ins Publikum und lächelt. Es sei ihm wichtig, diese Geschichte zu erzählen, denn sie zeigt: „Um Menschen zu retten, muss man kein Diplom haben oder Akademiker sein. Man muss ein warmes Herz haben.“ Das ist seine Botschaft an die zahlreichen jungen Menschen im Raum.
Das Projekt "Heimatsucher"
Die Gründerinnen des Vereins "Heimatsucher", Sarah Hüttenberend und Ruth-Anne Damm, berichten von ihrer Idee, den schwierigen Zugang zum Thema Holocaust über den persönlichen Kontakt zu ermöglichen. Ihre Erfahrungen in der Schulzeit und die Auseinandersetzung im Studium haben in beiden diese "Herzensangelegenheit" wachsen lassen, die Geschichte der Überlebenden weiterzuerzählen. Angesichts der Tatsache, dass sich Jugendliche heute immer weiter von der Geschichte der NS-Zeit entfernen würden und auch die Überlebenden aufgrund ihres hohen Alters leider nur noch begrenzt berichten können, müsse die Geschichte lebendig gehalten werden, um die Opfer des Holocaust nicht zu vergessen. Zudem möchten sie auf die oftmals bedrückende soziale Situation von Holocaustüberlebenden hinweisen, die in Israel unterhalb der Armutsgrenze leben müssen. Mit ihren Portraits erregt die Ausstellung des Vereins Aufmerksamkeit für diese beeindruckenden Persönlichkeiten, die sich nach unfassbaren Erlebnissen zurück in ein "normales" Leben kämpften. Die Überlebenden und die Gründerinnen verbindet dabei das gemeinsame Ziel, die Geschichte weiterzutragen. Ihnen sei es wichtig, nicht unfassbare Zahlen, sondern Einzelschicksale in den Mittelpunkt zu rücken. Alle Besucher der Ausstellung werden so zu "Zweitzeugen", um die Geschichte lebendig zu halten und weiterzutradieren. - Gegen das Vergessen.
Ausstellungsbesichtigung und Workshops möglich
Unterstützt vom BVB findet die Ausstellung nun ihre zweite Station in der Gedenkstätte Alte Steinwache in Dortmund und fügt sich auf beeindruckende Weise in diesen historischen Lernort ein. Briefe von Schülerinnen und Schülern, mit denen Heimatsucher in Schulen zum Thema gearbeitet haben, hängen zur Ansicht im Gebäude. Sie wurden von jungen Menschen, die teils das erste Mal mit dem Thema Holocaust zu tun hatten, an die Überlebenden selbst adressiert und zeigen die Vielfalt der Zugangs- und Verständnismöglichkeiten.
Allen Interessierten steht die Ausstellung bis Ende März zur Besichtigung zur Verfügung. Auch Schulklassen sind herzlich willkommen und können pädagogisch betreut durch die Ausstellung geführt werden.
Weitere Informationen unter <link http: www.heimatsucher.de>www.heimatsucher.de

