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Trauer um Norbert Reichling aus Dorsten

"Politischer Bildner, Bürgerrechtler, Erinnerungsarbeiter": Eine Würdigung des langjährigen ehrenamtlichen Leiters im Jüdischen Museum Westfalen, des früheren Geschäftsführers im Essener Bildungswerk der Humanistischen Union in Nordrhein-Westfalen und des vormaligen Vorstandsmitglieds im Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und Erinnerungsorte in dem Bundesland.

Verfasst am 22. September 2024

Im September 2024 ist Norbert Reichling überraschend in Dorsten im Alter von 71 Jahren gestorben. In den 1970er Jahren studierte er Soziologie, Publizistik und Geschichte in Münster und wurde von Arno Klönne mit einer Studie zur Arbeiterbildung in der Weimarer Zeit promoviert. Bildung blieb sein Lebensthema. Ab 1979 arbeitete er im Leitungsteam des Bildungswerkes der Humanistischen Union (HU) in Essen, das im Laufe seiner Geschichte historisch-politisches Lernen und die Geschichte des 20. Jahrhunderts immer mehr zum Schwerpunkt seines Angebots machte, wie Heidi Behrens und Paul Ciupke, seine Kollegin und sein Kollege im HU-Bildungswerk, in ihrem Nachruf betonen: Norbert Reichling wirkte dort nicht nur als Geschäftsführer, praktisch tätiger Pädagoge, sondern auch als wissenschaftlicher Publizist mit vielen Themen und Expertisen.

Die Liste seiner Veröffentlichungen ist sehr lang und das Spektrum der Themen breit ausgefächert. Erinnerungskultur und -politik, die Bildungsarbeit an NS-Gedenkstätten und Erinnerungsorten, aber auch Bürgerrechte waren jedoch die Schwerpunkte seiner Tätigkeit im Bildungswerk der Humanistischen Union in Nordrhein-Westfalen
In den 1980er Jahren war er Mitglied der Geschichtswerkstatt und Forschungsgruppe "Dorsten unterm Hakenkreuz" und nachfolgend im "Verein für jüdische Geschichte und Religion", der 1992 das Jüdischen Museums Westfalen gründete, aktiv; er gehörte, nachdem er ehrenamtlich viele Jahre das Museum geleitet hatte, bis zu seinem plötzlichen Tod dem Vorstand an, lange Zeit auch als Vorsitzender. Zudem betreute er redaktionell die Zeitschrift "Schalom".

Heute ist das Museum gerade in pädagogischer Hinsicht eines der aktivsten Zentren der Erinnerungsarbeit in Westfalen. Den Verein bzw. das Museum repräsentierte er in ausdauernder Kontinuität im Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und Erinnerungsorte in NRW und arbeitete auch hier in den Gremien und Projekten mit, u.a. als Beisitzer im Vorstand des Arbeitskreises.
Mit anderen und in Kooperation mit dem Bildungswerk initiierte und realisierte er mehr als zwanzig Jahre die "Werkstatt Geschichtsarbeit und historisch-politisches Lernen zum Nationalsozialismus", die als NRW-Gedenkstättentagung gelten kann und der nordrhein-westfälischen Gedenkstättenlandschaft wichtige Impulse vermitteln konnte.

Kaum zu glauben, dass Norbert Reichling noch weitere Betätigungsfelder hatte. So engagierte er sich mehr als 40 Jahre in der 1961 gegründeten Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union: in verschiedenen Gremien vor allem in NRW, in bundesweit agierenden Arbeitsgruppen und besonders im seit 1996 jährlich erscheinenden Grundrechtereport, den er mitbegründete, mitkonzipierte und viele Jahre als einer von zwei Hauptredakteuren redigierte.

Er konnte noch ein lange verfolgtes Buchprojekt abschließen. Das beschäftigte sich mit dem Bund in Essen, eine Gruppe, die sich auch "Gemeinschaft für sozialistisches Leben" nannte und vor allem in der Volkshochschule und Erwachsenenbildung ein Instrument für gesellschaftliche Veränderungen und Erneuerungen sah. Das Werk wird Ende des Jahres voraussichtlich erscheinen.
Norbert war ein sehr kluger, bescheidener, vielfältig engagierter, äußerst zuverlässiger und grundfreundlicher Mensch. Er konnte grandios formulieren und wenn es nötig war, auch ironisieren und polemisieren. Sein Ideenreichtum, seine Teamfähigkeit und sein unermüdliches Engagement werden unvergessen bleiben.

Stefan Mühlhofer, der Vorsitzende des Arbeitskreises der NS-Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Nordrhein-Westfalen, alle Vorstandsaktiven und Mitglieder trauern mit der Ehefrau und den beiden Kindern des Verstorbenen, mit allen Angehörigen, Freundinnen, Freunden, Kolleginnen, Kollegen und Weggefährten von Norbert Reichling. Sein Vermächtnis ist allen im Arbeitskreis Ansporn, Bildungsarbeit im weltoffenen, zivilgesellschaftlichen und im auf Meinungsvielfalt, Toleranz, Akzeptanz dringenden Sinne fortzusetzen und Aspekte des Erinnerns und Gedenkens trotz aller politischer Widrigkeiten stark zu machen.

(Nachruf von Heidi Behrens und Paul Ciupke mit Ergänzungen von Stefan Querl)
 

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