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Rolf Abrahamsohn wird Ehrenvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Recklinghausen

Das Erzählen von den Verbrechen des Holocausts an die Jugend hat eine zentrale Rolle in seinem Leben eingenommen. "Wenn du von fünfzig Kindern nur einen davon überzeugst, dass Juden nicht schlechter sind als Christen, dann hast du viel erreicht."

Verfasst am 30. Januar 2016

Rolf Abrahamsohn ist zum Ehrenvorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Recklinghausen ernannt worden. Der 90-jährige kann auf ein bewegtes Leben zurückblicken: Eine Kindheit, die glücklich begann, bevor Rassismus und Faschismus der Nationalsozialisten seine Familie auseinanderrissen. Als einziger Überlebender kehrte er nach Kriegsende ins Ruhrgebiet zurück.

Rolf Abrahamsohn wurde 1925 als dritter von vier Söhnen im nordrhein-westfälischen Marl geboren. Seine Eltern hatten ein Textilgeschäft in der Stadt, die ersten Jahre seiner Kindheit waren glücklich, erinnert sich Abrahamsohn. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten änderte sich alles. Plötzlich waren er und seine Familie von ständiger Diskriminierung bedroht, die bereits 1934 so heftig war, dass Rolf Abrahamsohn seine evangelische Grundschule nicht weiter besuchen konnte. In der Reichspogromnacht im November 1938 schließlich setzten SA-Männer das elterliche Geschäft in Brand und misshandelten seinen Vater schwer, der Vater und Rolf Abrahams ältester Bruder wurden darauf inhaftiert. 1942 wurden Rolf Abrahamsohn und seine Mutter in das Konzentrationslager in Riga deportiert. Sieben Konzentrationslager musste er erleiden, bevor er 1945 im KZ Theresienstadt von der Roten Armee befreit wurde.
Nach Kriegsende überlegte Abrahamsohn, nach Israel auszuwandern, entschied sich dann aber doch, zurück in seine Heimatstadt Marl zu gehen, wo dem damals schwer abgemagerten 20-jährigen ein schwerer Neuanfang bevorstand. Obwohl er Antisemitismus und Ausgrenzung auch im Nachkriegsdeutschland begegnete, wandte er sich nicht von der Gesellschaft ab. Der Wiederaufbau des jüdischen Lebens im Ruhrgebiet wurde zu einem seiner Hauptanliegen der nächsten Jahre, ein anderes der Dialog mit der Jugend. Inzwischen hat Rolf Abrahmsohn unzähligen Schülerinnen und Schülern von der Zeit des Nationalsozialismus berichtet.

Abrahamsohn ist einer der letzten Shoah-Überlebenden aus NRW. Zeitzeugen wie er werden eine schwer zu schließende Lücke in der Erinnerungsarbeit an die Verbrechen des Holocausts hinterlassen, wenn sie in einigen Jahren nicht mehr da sein werden. Über Rolf Abrahamsohns Leben berichtet auch die Ausstellung „Geschichte – Gewalt – Gewissen“ in der Villa ten Hompel in Münster. Zudem ist in enger Zusammenarbeit zwischen Abrahamsohn, dem Jüdischen Museum Westfalen in Dorsten  und dem Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte das Buch „Was machen wir, wenn der Krieg zu Ende ist?“entstanden. Abrahamsohn erzählt darin von der schwierigen Zeit der Etablierung jüdischer Gemeinden in der neuen Bundesrepublik seit den 1950er Jahren.

Fünfzehn Jahre lang, von 1978 bis 1992, war er selbst Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Recklinghausen – am diesjährigen 27. Januar, am Internationalen Holocaust-Gedenktag, wurde ihm nun in einem Festakt in der Synagoge in Recklinghausen der Ehrenvorsitz verliehen.

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