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Presseschau "Deportiert ins Ghetto": Die Opfer haben ein Gesicht Artikel aus der Bergischen Landeszeitung vom 17. Januar 2013, S. 36, von BIRGIT ECKES, Bergisch Gladbach.
Artikel aus der Bergischen Landeszeitung vom 17. Januar 2013, S. 36, von BIRGIT ECKES, Bergisch Gladbach.
„Ich kann mich noch genau erinnern, wie wir die Straße runter mit Koffern zum Schlachthaus gegangen sind. Die Leute haben geguckt und die Kinder haben Steine geschmissen. Das war ganz schrecklich damals.“ So erinnert sich Gary Wolff an seine Deportation ins Ghetto von Litzmannstadt, das heute Lodz heißt. Im Oktober 1941 brachten die Nazis insgesamt 3014 Juden aus dem Rheinland von Köln und Düsseldorf aus in das polnische Arbeitslager. Nur 36 überlebten. Gary Wolff war einer von ihnen. Insgesamt 200 000 andere Gefangene aus ganz Europa fanden dagegen den Tod – entkräftet durch Ausbeutung, Hunger, Krankheit oder ermordet im Gaswagen von Kulmhof, unter den Duschen von Auschwitz.
„Lassen Sie uns das nie vergessen“, appellierte Landrat Dr. Hermann-Josef Tebroke bei der Eröffnung einer eindrucksvollen Wanderausstellung im Kreishaus insbesondere an die Jugend, vertreten durch Schüler des Dietrich-Bonhoeffer- Gymnasiums. „Deportiert ins Ghetto“ wurde konzipiert vom Kölner NS-Dokumentationszentrum EL-DE-Haus, der Gedenkstätte Düsseldorf sowie dem Staatsarchiv Lodz; im Landtag hatte sie Premiere.
Und wer sie gesehen hat, wird nicht so schnell vergessen. „Wir wollen die Individualität der Opfer hervorheben“, erklärt Dr. Karola Fings, stellvertretende Direktorin des ELDE- Hauses. Es sind die vielen privaten Geschichten, die Bilder und Briefe, die den Ermordeten ein Gesicht geben. Helga Neuburg, eine junge Frau aus Neuss, blickt vom Plakat hoffnungsfroh auf den Besucher: Sie hat noch ein Leben vor sich und ahnt nicht, wie jäh dieses bald enden wird. Ein Foto zeigt den Kölner Kaufmann Arno Katz, wie er am 1. April 1933 von SA-Leuten mit einem Transparent durch die Straße getrieben wird – unmittelbar nach der Machtergreifung.
Gefangen mitten in der Stadt
Schnell, zielgerichtet und gründlich haben die Nazis gearbeitet: Es beginnt mit der Ghettobildung in den Städten, geht über die „Sammlung“ der rheinischen Juden im Düsseldorfer Schlachthaus und in den Kölner Messehallen bis zur „Evakuierung“ ins „jüdische Wohngebiet“ im 1000 Kilometer entfernten Lodz. Mitten in der Stadt leben die Gefangenen hier, unter übelsten Bedingungen, hinter Stacheldraht. „Im Ghetto wurde für die deutsche Wehrmacht gearbeitet, und zwar 365Tage im Jahr“, berichtete der Mönchengladbacher Erwin Liffmann. „Wer nicht bei der Arbeit erschien, bekam keine Suppe.“ Ironie des Schicksals: Viele der Deportierten waren nach 1933 aus der Provinz in die Großstädte Köln und Düsseldorf geflüchtet, in der Hoffnung, vor den braunen Schergen sicherer zu sein. „Der Antisemitismus war auf dem Land in den Dörfern teilweise sehr groß“, erklärt Karola Fings.
Die Materialfülle dieser kleinen Ausstellung ist erdrückend, so entsteht ein beklemmend authentischer Eindruck vom Leben im Ghetto, das verwaltet wurde (das zeigen die bürokratischen Dokumente) wie eine „richtige“ Kleinstadt und doch der Vorhof zur Hölle war. Ganz versteckt findet sich am Ende eine kleine Info: Oberbürgermeister Werner Ventzki, Jurist und SS-Angehöriger, arbeitete später im Vertriebenenministerium und war Regierungsdirektor in Bonn. Hannah Arendts beim Eichmann- Prozess geprägtes Bild von der „Banalität des Bösen“: Auch diese wird hier lebendig, ebenso wie in Margarethe von Trottas gleichnamigem Film, der derzeit in den Kinos läuft.
„Deportiert ins Ghetto“,Kreishaus- Foyer, Am Rübezahlwald.
Ausstellung bis 1. Februar, Mo-Do 8.30-18 Uhr, Fr/Sa 8.30-15 Uhr.
Sehr informativer Katalog für 10 Euro.

