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Nächster Schritt in Yad Vashem: Einladung nach NRW Beim Abschluss des Besuchs der NRW-Gedenkstättendelegation in Yad Vashem wird die künftige Zusammenarbeit konkret: Noch 2016 soll mit einem Fachaustausch zur Integration aktueller Täterforschung in die pädagogische Gedenkstättenarbeit auf beiden Seiten der nächste Schritt begangen werden.
Die Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung und dem millionenfachen Mord an Menschen als Ergebnis von menschlichen Entscheidungen zu verstehen und zu erzählen, ist eine Hauptaufgabe der pädagogischen Arbeit in Gedenkstätten. Das macht sich Yad Vashem genauso zum Auftrag wie die nordrhein-westfälischen Erinnerungsorte, betonte auch Deborah Hartmann (Leiterin des German Desk der International School for Holocaust Studies in Yad Vashem) beim Besuch der Gedenkstättendelegation aus NRW in Israel. Wie diese Prämisse in die konkrete Praxis umgesetzt werden kann, wurde am zweiten Besuchstag anhand verschiedener Beispiele aus beiden Ländern diskutiert.
Praxisbeispiele aus Gedenkstätten in NRW und Yad Vashem
Zum Tagesauftakt hatten die Vertreterinnen und Vertreter nordrhein-westfälischer NS-Gedenkstätten die Möglichkeit, in Workshops die verschiedenen Arbeitsfelder Yad Vashems kennenzulernen: Neben Einblicken in das umfangreiche Archiv, das mit seinen über 154.000.000 Seiten die größte Dokumentensammlung der Welt über den Holocaust besitzt, wurde auch eine sich seit 2007 kontinuierlich erweiternde Online-Datenbank zu den Deportationen vorgestellt. Außerdem wurde Interessierten die „Yad Vashem Artifacts Collection“ gezeigt, die in den letzten Jahren insgesamt 27.000 Objekte und Gegenstände von Überlebenden oder Angehörigen der Holocaust-Opfer sammelt und restauratorisch sichert. Trotz ganz unterschiedlicher Dimensionen, was den Umfang dieser Sammlungen anbelangt, stehen ihre Bearbeiter in Yad Vashem vor ähnlichen Problemen wie die deutschen Kolleginnen und Kollegen: Bei Annahme von historischen Überresten ist oft detektivisches Gespür gefragt, um die Entstehungskontexte oder mit den Objekten und Dokumenten verbundene Geschichten rekonstruieren zu können.
Darüber hinaus wurde aufbauend auf inhaltlichen Impulsen von Anna Stocker (Yad Vashem) sowie Philipp Erdmann und Stefan Querl (Geschichtsort Villa ten Hompel) über multiperspektivische Ansätze in der pädagogischen Gedenkstättenarbeit mit unterschiedlichen Zielgruppen wie Jugendlichen, angehenden Beamten oder Justizvollzugsangestellten in Ausbildung diskutiert. Im Mittelpunkt des Austauschs stand vor allem die Frage, wie der Holocaust als Ergebnis von menschlichen Entscheidungen aus mehreren Blickwinkeln vermittelt werden kann und dabei sowohl Täter- wie auch Opferhandeln berücksichtigt wird. Eine Herausforderung für die Weiterentwicklung didaktischer Angebote wird es sein, die Biographien aller Akteure sowohl vor als auch nach dem Verfolgungs- oder Mordgeschehen mitzudenken. In einer dreistündigen Führung hat Deborah Hartmann der Gruppe schließlich noch die Museumsausstellung in Yad Vashem präsentiert. Neben den Inhalten stellte sie auch Konzept und Gestaltung der Einrichtung vor – Das Zusammenspiel von Architektur, Inhalten und Erzählung hinterließ bei allen Unterschieden zu den kleineren, oft Stadt- oder Hausgeschichten aufgreifenden Ausstellungen an den historischen Orten in den NS-Gedenkstätten NRWs einen bleibenden Eindruck.
Kontinuierliches Kooperieren als Vereinbarung zum Abschluss
Am Ende des Besuchs in Yad Vashem diskutierten Deborah Hartmann, Dr. Hans Wupper-Tewes von der Landeszentrale für politische Bildung NRW und der Arbeitskreis-Vorsitzende Prof. Dr. Alfons Kenkmann, wie sich der in den zwei Tagen initiierte Austausch für die Zukunft verstetigen lässt. Auch für die anwesenden Gedenkstättenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter ist dabei die Zusammenarbeit auf allen drei Tätigkeitsebenen „Forschung“, „Dokumentation“ und „Pädagogik“ vorstellbar. Den Anfang wird dabei ein wissenschaftlicher und pädagogischer Austausch zur weiteren Ausarbeitung von didaktischen Handreichungen bilden, die die Täter der Shoah weiter in den Blick nehmen. Besonders am Beispiel der Beteiligung von Polizisten aus NRW am Holocaust und deren späterer Strafverfolgung durch deutsche Gerichte sollen erste Projekte gemeinsam umgesetzt werden. Mittelfristig stehen dann weitere Vorhaben an. Denkbar wäre beispielsweise eine tiefergehende, systematische Kooperation zwischen den Gedenkstättenarchiven. Prof. Kenkmanns Plädoyer, in solch einer Arbeitsgemeinschaft konkret und themenbezogen zu arbeiten, wurde von allen Seiten befürwortet. Nachdem nun also die nordrhein-westfälische Delegation Yad Vashem kennenlernen konnte, luden die Protagonisten von Arbeitskreis, Staatskanzlei und Landeszentrale für politische Bildung auch die pädagogischen Kolleginnen und Kollegen aus der International School for Holocaust Studies (ISHS) ganz offiziell zum Gegenbesuch ein. Das soll mit einem ersten themenspezifischen Besuch zu Fragen der Vermittlung von Täterforschung bereits in der ersten Jahreshälfte 2016 umgesetzt werden. Gestaltet wird dieses Programm dann vom Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und –Erinnerungsorte in NRW mit finanzieller und organisatorischer Unterstützung durch die Landeszentrale für politische Bildung. Abschließend dankten Prof. Kenkmann und Dr. Wupper-Tewes stellvertretend für alle Anwesenden dem Team des German Desk an der ISHS für die herzliche Betreuung und das hervorragende Programm, bevor man beim gemeinsamen Essen einige Gespräche vertiefte und den Abend ausklingen ließ.
Ein Bericht von Philipp Erdmann, Fotos von Stefan Querl
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Die Gedenkstätten-Delegation aus NRW tauschte sich zwei Tage mit dem Team des German Desk der International School for Holocaust Studies in Yad Vashem über neue Forschungs- und Vermittlungsansätze aus.
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Dr. Hans Wupper-Tewes von der Landeszentrale für politische Bildung NRW, Deborah Hartmann für Yad Vashem und Prof. Dr. Alfons Kenkmann für den Arbeitskreis (v. links n. rechts) einigten sich zum Abschluss auf einen kontinuierlichen Austausch mit gegenseitigen Besuchen

