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Mitglieder des Arbeitskreises tagten in Münster Rückschau auf erfolgreiche Projekte und Aufruf zur Erhöhung der Landesmittel 2009
Zum letzten Mal in diesem Jahr trafen sich am Montag, 8. Dezember, Vertreter aus Gedenkstätten, Dokumentations- und Begegnungszentren zur Mitgliederversammlung des Arbeitskreises der NS-Gedenkstätten in NRW. Als Tagungsort stand der Geschichtsort Villa ten Hompel in Münster zur Verfügung, wo Leiter Christoph Spieker seine Gäste zu Beginn herzlich begrüßte. Unter den Anwesenden befand sich auch Dr. Guido Hitze, neuer Leiter des Referates Grundsatz bei der Landeszentrale für politische Bildung NRW. Er war aus Düsseldorf angereist, um die einzelnen Teilnehmer kennen zu lernen und sich ein Bild von der Arbeit des Gedenkstätten-Netzwerks zu machen.
Auf der Tagesordnung der Versammlung standen u.a. eine Bilanz zu vergangenen Veranstaltungen und Veröffentlichungen, der geplante Umbau der Internetseiten, eine gemeinschaftliche Initiative, die zur Erhöhung der Landesmittel für die Gedenkstättenarbeit führen soll, die Vorstellung, Planung und Vorbereitung neuer Projekte und wie immer der gegenseitige Austausch über die aktuelle Situation in den jeweiligen Einrichtungen.
Zu Beginn der Sitzung erwartete die Anwesenden eine Rückschau auf die Veröffentlichung zweier Publikationen:
Als Mitherausgeberin präsentierte Karola Fings (NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln) den Band "Zukunftsprojekt Westwall", der die Ergebnisse einer interdisziplinären Tagung vom Mai 2007 zusammenfasst. Der Untertitel der Publikation verweist bereits auf die inhaltliche Ausrichtung der Beiträge: Gefordert werden "Wege zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit den Überresten der NS-Anlage". So ist in den letzten Jahren eine Vielzahl vorgeblich musealer Einrichtungen eröffnet worden, die aber nur selten einen kritischen Blick auf die ehemalige rund 630 Kilometer lange militärische Verteidigungsanlage werfen. Eine seriöse wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Westwall ist nach Meinung der Autoren daher aus historischer, geographischer, denkmalpflegerischer und naturkundlicher Perspektive längst überfällig.
Zwar ist die Aufarbeitung der Ereignisse rund um die so genannte Reichspogromnacht vom 9./10. November 1938 weiter vorangeschritten, für die lokale und regionale Ebene gilt sie aber ebenfalls als noch nicht abgeschlossen. Anlässlich des 70. Jahrestages der Pogromnacht präsentierte der Arbeitskreis daher eine Broschüre mit insgesamt 16 Beiträgen aus 15 verschiedenen Städten, in denen die Autoren ganz unterschiedliche Aspekte dieses ersten grausamen Höhepunkts der Judenverfolgung untersuchen. Ulrike Schrader (Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal) und Bastian Fleermann (Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf), die für den Arbeitskreis die redaktionelle Betreuung der Publikation übernommen hatten, berichteten von deren Vorstellung im Landtag NRW und zogen eine äußerst positive Gesamtbilanz zu dem Gemeinschaftsprojekt.
Ein ähnlich zufriedenes Fazit konnte Norbert Reichling (Jüdisches Museum Westfalen und Bildungswerk der Humanistischen Union NRW) für die diesjährige "Werkstatt Geschichtsarbeit und historisch-politisches Lernen zum Nationalsozialismus" vorweisen. Bereits zum zehnten Mal kamen in diesem Jahr Gedenkstättenpädagogen, Mitarbeiter aus der Jugend- und Erwachsenenbildung und Vertreter von Geschichtsvereinen zusammen, um sich drei Tage lang über aktuelle Forschungsfragen, neue Veranstaltungs- und Bildungsprojekte sowie Methoden bei der Vermittlung historischen Wissens auszutauschen. Die vom HU-Bildungswerk, dem Arbeitskreis und dem Forum Geschichtskultur an Ruhr und Emscher ausgerichtete Veranstaltung überzeugte die Teilnehmer erneut mit einer gelungenen Mischung aus Vorträgen, Workshops, einer Exkursion und der traditionellen Projektbörse (s. Berichterstattung in der Rubrik "Aktuelles"auf dieser Seite).
Fast genauso lange wie die Geschichtswerkstatt gibt es bereits den viel besuchten Internetauftritt des Arbeitskreises. Da sich sowohl die technischen als auch die gestalterischen Möglichkeiten im World Wide Web innerhalb der letzten Jahren rasant verändert haben, soll nun auch das Online-Portal der NS-Gedenkstätten den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. In der Sitzung stellten Jessica Bönsch und Stefan Becker (Redaktion) das Konzept für einen Umbau der Seiten vor. Ein Schwerpunkt des Relaunchs wird die Einrichtung der so genannten Barrierefreiheit sein. Barrierefreiheit besagt: Jeder Besucher des Internetportals soll alle Angebote der Seite nutzen können, unabhängig von körperlichen und/oder technischen Einschränkungen. Für Bilder werden in Zukunft beispielsweise beschreibende Texte zur Verfügung gestellt. Sehbehinderte, die über ein spezielles Gerät verfügen, können sich dann die Beschreibung der Fotos vorlesen lassen. Nach einer öffentlichen Ausschreibung Anfang 2009 soll Mitte des kommenden Jahres mit dem Umbau der Homepage begonnen werden.
Für die Umsetzung dieses ehrgeizigen Vorhabens ist der Arbeitskreis auf die Gedenkstättenförderung durch das Land NRW angewiesen. Da mit Dr. Guido Hitze ein Vertreter der Landeszentrale für politische Bildung in Münster zugegen war, konnten die Mitglieder ihn sofort in ihr Vorhaben einweihen und gleichzeitig über eine weitere Initiative informieren. So hat sich der Vorstand des Arbeitskreises mit einem Aufruf an führende Politiker aller Fraktionen des Landtags gewandt. Sie werden gebeten, sich für eine Aufstockung der Landesmittel für die Gedenkstättenarbeit in NRW einzusetzen. Denn obwohl kaum ein anderes Bundesland in Deutschland über eine so ausgeprägte und vielfältige Gedenkstättenlandschaft wie Nordrhein-Westfalen verfügt, können die meisten Einrichtungen ihr vorhandenes Potential aufgrund einer chronischen Unterfinanzierung nicht ausschöpfen und sind teilweise sogar von der Schließung bedroht. Vergleicht man die Höhe der Fördermittel in NRW mit den Ausgaben für die Gedenkstättenarbeit in anderen Bundesländern, so ist eine Schieflage zu beobachten, die nicht mehr länger zu vertreten ist. Herr Hitze sicherte aber zu, sich für die Belange der Gedenkstätten einzusetzen und deutete bereits vorsichtig mögliche Erfolge für das kommende Jahr an.
Wie eine gewinnbringende Kooperation zwischen Land, Kommunen und den Gedenkstätten aussehen könnte, erläuterte im Anschluss Stefan Querl (Villa ten Hompel). Mit der Bildungspartnerschaft Museum und Schule sollen in Nordrhein-Westfalen zukünftig enge Kooperationen zwischen außerschulischen Lernorten und offiziellen Bildungseinrichtungen beschlossen werden. So sollen die fachlichen Kompetenzen in den Gedenkstätten schon bald noch stärker in den Schulunterricht integriert und Veranstaltungen an historischen Orten möglichst zum festen Bestandteil der Unterrichtspläne werden (weitere Informationen s. unten).
Staatliche Unterstützung oder Beteiligung ist aber oft nur der zweite Schritt für eine erfolgreiche Erinnerungs- und Bildungsarbeit. Die Initiative geht häufig weiterhin von Seiten der Bürger aus. Das bewies Winfried Casteel (Volkshochschule Aachen) mit seiner Vorstellung der "Wege gegen das Vergessen". 1994 hatten sich Bürgergruppen und Vereine in Aachen zum ersten Mal an die Verantwortlichen der Stadt gewandt und den Wunsch geäußert, verschiedene Gedenkplätze zu schaffen oder eine zentrale Erinnerungsstätte für die Opfer der NS-Diktatur zu errichten. Die Entscheidung des Rates fiel auf eine Art "dezentrales Denkmal". Unter der Leitung der örtlichen Volkshochschule und in Zusammenarbeit mit Historikern recherchierten engagierte Aachener Bürger in den kommenden Jahren über 40 Orte nationalsozialistischer Verbrechen und stellten dort Tafeln zur Erinnerung an die Geschehnisse auf. Nachdem im Jahr 2001 die erste Gedenktafel angebracht worden war, entwickelten die Initiatoren zusätzlich einen Handyguide entlang dieses "Weges gegen das Vergessen" und ein pädagogisches Programm für Veranstaltungen mit Schülern und Erwachsenen. Der Arbeitskreis ist froh, die VHS Aachen mit diesem Projekt als neuen Kooperationspartner in seinen Reihen zu wissen.
Als letzter Punkt stand wie immer ein gegenseitiger Austausch über Veranstaltungen, zukünftige Vorhaben und die aktuelle Situation in den einzelnen Einrichtungen auf der Tagesordnung. So konnte Werner Jung (Leiter NS-Dok Köln) u.a. über die Aufnahme des NS-Dokumentationszentrums in den Verbund der Kölner Museen berichten. Erfreulicherweise stehen dem Haus gleichzeitig eine räumliche Erweiterung und damit die Auslagerung des Sonderausstellungsbereichs in ein benachbartes Gebäude bevor. Der frei gewordene Platz im EL-DE-Haus kann nun für die Einrichtung eines pädagogischen Zentrums genutzt werden.
In der Gedenkstätte Bonn erhält die Leiterin Astrid Mehmel zwar nach langem Ringen mit den Gremien der Stadt eine volle Stelle, muss dafür aber mit drastischen Kürzungen bei anderen Haushaltsposten und einer Mieterhöhung für ihre Räumlichkeiten rechnen.
Dieter Knippschild (Mahn- und Gedenkstätte Steinwache, Dortmund) berichtete vom Start des neuen Dortmunder Erinnerungsportals "Erport" im Internet (www.spuren-suchen.de - s. auch den Artikel in der Rubrik "Aktuelles"). Weitere Informationen über die Kooperation des Portals mit der Gedenkstätte Steinwache wird er auf der nächsten Mitgliederversammlung vorstellen.
Am Ende des offiziellen Sitzungsnachmittags lud Gastgeber Christoph Spieker alle Teilnehmer ein, die digitalen Museumsführer der Villa ten Hompel zu testen. Der neue "Ausstellungsguide" ist ein kleiner PC mit Kopfhörern, mit dem die Besucher wahlweise einen vorbereiteten Rundgang durch die Ausstellung "Wiedergutmachung als Auftrag" starten, oder aber Daten zu einzelnen Objekten abrufen können.
Zur ersten Mitgliederversammlung im kommenden Jahr trifft sich der Arbeitskreis Anfang März 2009 im Institut für Stadtgeschichte in Gelsenkirchen.

