Inhalt Seitenleiste
Mitglieder des Arbeitskreises tagten beim Bundesweiten Gedenkstättenseminar In der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora standen gedenkstättenpädogische Fragen und neue historische Forschungserkenntnisse im Mittelpunkt
Wie können Gedenkstätten ihren Besuchern am schlüssigsten vermitteln, auf welche brutale Weise und mit welcher Systematik KZ-Häftlinge in der deutschen Rüstungsindustrie ausgebeutet wurden? Wie geht man in der Bildungsarbeit mit Technikfaszination und Höhlenromantik an Orten nationalsozialistischer unterirdischer Rüstungsbetriebe um? Wie reagierten die Menschen zur Zeit des Nationalsozialismus, wenn sie feststellten, dass in ihrem Umfeld ein Konzentrationslager errichtet wurde?
Diese Fragen standen vom 29. bis 31. Mai im Blickpunkt des 49. Bundesweiten Gedenkstättenseminars in Nordhausen und der dortigen KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora. Eingeladen hatten die Veranstalter von der Bundeszentrale für Politische Bildung, der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora sowie der Stiftung Topographie des Terrors. Mit Dr. Karola Fings (NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln) und Clemens Heinrichs (Gedenkhalle Schloss Oberhausen) reisten zwei Mitglieder aus dem Vorstand des Arbeitskreises der NS-Gedenkstätten in NRW nach Thüringen, um mit weiteren Vertretern von Gedenkstätten sowie Multiplikatoren der politischen Bildung und Studierenden an der Tagung teilzunehmen.
Mittelbau-Dora war eines der größten Konzentrationslager, das einzig zu dem Zweck eingerichtet wurde, die Arbeitskraft seiner Insassen auszubeuten. Nach der Bombardierung der Heeresversuchsanstalt Peenemünde im August 1943 wurden die deutsche Raketenproduktion und das auf Usedom begonnene Fertigungsprogramm der so genannten "Wunderwaffe V2" ("Vergeltungswaffe"), mit der die Nationalsozialisten doch noch eine Kriegswende zugunsten Deutschlands herbeiführen wollten, in den Südharz ausgegliedert. Dort führte man die Produktion in einer streng geheimen unterirdischen, bombensicheren Fabrik am Fuße des Kohnsteins bei Nordhausen weiter. Das Konzentrationslager steht paradigmatisch für die Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen in der deutschen Rüstungsindustrie und den Versuch, wichtige Rüstungsbetriebe in den letzten Kriegsjahren nach unter Tage zu verlagern. Mit seinen rund 40 Einzellagern, die sich über den gesamten Harz erstreckten, ist Mittelbau-Dora außerdem ein eindringliches Beispiel dafür, wie stark das System der Konzentrationslager seit 1943/44 in die deutsche Kriegsgesellschaft eindrang.
Nach einer Einführung in die Geschichte des Konzentrationslagers und der Gedenkstätte Mittelbau-Dora sowie Führungen durch die Gedenkstätte, die Stollenanlage und die neue Dauerausstellung setzten sich die Teilnehmer in vier Arbeitsgruppen zusammen, um die eingangs aufgeworfenen Fragen zu beantworten und neue gedenkstättenpädagogische Konzepte zu diskutieren. Anregungen dazu lieferten mehrere Vorträge, die einzelne Aspekte und historische Hintergründe noch einmal näher beleuchteten. So analysierte Dr. Karola Fings zum Beispiel die Beziehung zwischen Kriegsgesellschaft und Konzentrationslager.
Seit Herbst 1983 findet das bundesweite Gedenkstättenseminar zweimal jährlich an wechselnden Erinnerungsorten statt. Für die Mitarbeiter von Gedenkstätten und anderen Dokumentations- und Informationseinrichtungen hat es einen festen Platz im Terminkalender eingenommen. Die Veranstaltungen bieten zum einen die Möglichkeit, Geschichte und Konzept des jeweiligen Tagungsortes kennen zu lernen und Ausstellungen und Räumlichkeiten vor Ort zu besichtigen. Zum anderen dienen die Seminare als vielfältige Austauschplattform für Historiker, Multiplikatoren und Studierende, um neueste Entwicklungen in der Gedenkstättenlandschaft zu erörtern und aktuelle Forschungsergebnisse zu diskutieren.
Die Vorträge der Tagung werden in Kürze auf den Seiten des Gedenkstättenforums der Stiftung Topographie des Terrors veröffentlicht.

