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"Lebensgeschichtliches Netz" - Biografische Annäherungen an die Zeit des Nationalsozialismus
Leben in der Zeit des Nationalsozialismus - was bedeutete das für einen begeisterten Hitlerjungen in Köln, eine jüdische Schülerin in Siegen, eine katholische Professorenfrau in Bonn, einen Gauleiter in Düsseldorf oder einen Ordnungspolizisten in Münster? Welche Brüche oder (Karriere-) Sprünge gab es in den Schicksalen von Einzelnen während und durch den Nationalsozialismus?
Das lässt sich mit einem neuen Internetangebot nachvollziehen, das als Gemeinschaftsprojekt des Arbeitskreises der NS-Gedenkstätten in NRW e.V. entstanden ist und von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) sowie der Landeszentrale für politische Bildung NRW gefördert wurde.
Mit Texten, Fotos, Karten, Briefen und anderen Dokumenten, aber auch mit Video- und Audioaufnahmen sowie detaillierten Hintergrundinformationen zur allgemeinen und jeweiligen lokalen Geschichte werden hier ausgewählte Lebensgeschichten vorgestellt. In zusätzlichen Kommentaren wird erläutert, warum die Autoren die jeweilige Biographie als besonders interessant und relevant ausgewählt haben, für welche soziale Gruppe oder politische Einstellung sie typisch ist, welche Informationsquellen benutzt wurden, aber auch, wo noch Lücken bestehen und was daher noch gesucht wird.
Insgesamt entsteht so ein in sich geschlossenes System, dass ein gezieltes Fragen, Analysieren und Verstehen ermöglicht, ohne sich dabei in der "Informationswüste Internet" zu verlieren. Wichtig ist auch, dass jede Biografie lokal angebunden ist, so dass das Netz und mit ihm die Informationsdichte zur allgemeinen wie insbesondere auch zur jeweiligen lokalen Geschichte in verschiedenen Städten und Orten (zunächst in Nordrhein-Westfalen) entstehen und wachsen können. Durch gezielte Auswahl ist es auf Wunsch möglich, sich zunächst mit der Situation in der eigenen Gemeinde zu beschäftigen, um dann später zu Vergleichszwecken das gesamte Netz zu nutzen - oder umgekehrt.
Von entscheidender Bedeutung - und in dieser Hinsicht völlig neu - ist es, dass Interessierte nicht nur in die Lage versetzt werden, passiv mit diesen im Internet bereit stehenden Inhalten des "Lebensgeschichtlichen Netzes" zu arbeiten, sondern dass auch die Möglichkeit besteht, aktiv für das Netz zu produzieren, da von Projektgruppen oder Einzelpersonen erarbeitete Biografien jederzeit eingespeist werden können. Hierfür wurde von Beginn an in technischer Hinsicht Sorge getragen, indem ein komplexes Redaktionssystem entwickelt wurde, das einen dezentralen Einsatz in einzelnen Gedenkstätten, Archiven oder Schulen ermöglicht, wobei die dort erarbeiteten Ergebnisse dann über eine Export-/Importroutine in die Hauptdatenbank übernommen werden. Die Kommunikation mit der Endredaktion erfolgt zeitgemäß über eine eigens hierfür eingerichtete website, über die auch interne Informationen, Datenbank-Updates, Handbuch-Ergänzungen sowie Bild-, Audio- oder Videodateien ausgetauscht werden.
Alle an einer solchen Mitarbeit Interessierten müssen allerdings mit einer Einschränkung leben, die aber nicht Wermutstropfen, sondern Motivation sein sollte: Die neuen Lebensgeschichten müssen in Form und Inhalt in das vorhandene Netz passen (die entsprechenden inhaltlichen und redaktionellen Kriterien sind im Handbuch skizziert und können auf Nachfrage jederzeit präzisiert werden) und daher eine gewisse Qualität haben. Darüber entscheiden in Absprache mit den jeweiligen "Produzenten" Lehrer, Gedenkstätten- oder Stadtarchivmitarbeiter und Projektredaktion. Sollte es hier und da einen kleinen Mangel geben, ist der problemlos auszubügeln, da das Redaktionssystem es jederzeit erlaubt, Korrekturen, aber auch Ergänzungen (z.B. die Integration neuer Abbildungen oder Quellen) vornehmen zu können.
Insgesamt wird so angestrebt, Jugendlichen (aber natürlich nicht nur ihnen) Kompetenz auf verschiedenen Gebieten zu vermitteln. Neben der kritischen Arbeit mit historischen Quellen und Zeitzeugeninterviews wird eine Datenbank (be)nutzt, ohne dass man "Computerfreak" sein muss, die Abfassung fundierter, dabei aber kurzer und gut verständlicher Texte geübt, Bildbearbeitung und Interviewtechnik angewendet - dies nur einige der zahlreichen potentiellen Lehr- und Lernfelder.
Als allgemeine, jedem zugängliche Kommunikationsplattform steht zudem ein "moderiertes Forum" zur Verfügung, in dem ohne jegliche Berührungsängste Fragen gestellt, Anregungen gegeben und Wünsche auf eine konkrete Projektbeteiligung geäußert werden können.
Das "Lebensgeschichtliche Netz" ist ab dem 14. November 2005 im Internet zugänglich.

