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Jüdische Bauern in Westfalen - Gab's die? Norbert Reichling berichtet für das Jüdische Museum Westfalen über jüdische Versuche, in der westfälischen Landwirtschaft Fuß zu fassen.
Im Rahmen der Wechselausstellung „Heimatkunde. Westfälische Juden und ihre Nachbarn“ hat das Jüdische Museum Westfalen auch ein auf den ersten Blick exotisches Thema aufgegriffen – jüdische Landwirte in Westfalen. Ergänzend zu Ausstellung und Begleitbuch stellte nun Gisbert Strotdrees, Historiker und Redakteur aus Münster, seine Forschungen zu diesem Thema in einem Vortrag am 7. Mai in Dorsten vor.
Die im Titel zitierte Frage drückt Skepsis aus. Und dieser Zweifel hat geschichtliche und ideologische Gründe: Es war Juden bis zum Emanzipationsedikt von 1812 rechtlich unmöglich, Grundbesitz zu erwerben, und erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es auch faktisch etwas leichter. Die preußische Administration war nicht untätig beim Versuch, so etwas zu verhindern. Jüdische Landwirte, die dann auch vereinzelt in die Standesorganisationen vordringen konnten, blieben eine „Minderheit in der Minderheit“ (ca. 2 % der jüdischen Bevölkerung). Mit den Arisierungen der NS-Zeit endete dieses Kapitel.
Das ideologische Moment: traditionellen antijüdischen Klischees folgend, haben Juden angeblich eine Neigung zu leichter Arbeit, z.B. im Handel, und eine Abneigung gegen körperliche harte Tätigkeiten. Seit dem 19. Jahrhundert versuchten deutsche Juden, intensiv gegen diese Vorurteile vorzugehen – durch Modelle der „Berufsumschichtung“, aber auch in der jüdischen Sportbewegung.
Eine Variante landwirtschaftlicher Arbeit von Juden findet sich in den Hachschara-Lagern der 1930er Jahre, wo jüdische Jugendliche auf Ackerbau und Viehzucht in Palästina vorbereitet wurden. Ein gänzlich unbekanntes Lager dieser Art hat Gisbert Strotdrees kürzlich im Münsterland entdeckt: In Westerkappeln wurde es von 1933 bis 1938 betrieben, und aufgrund der Melderegister lassen sich einzelne Lebenswege der dort für einige Wochen oder Monate Geschulten verfolgen. Weiterer Forschungsbedarf bleibt zu beiden Aspekten des Themas noch zu erkennen!

