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Gedenkstein für die rheinischen Opfer des Holocaust in Minsk Delegation aus Köln und Bonn nahm an den Gedenkfeiern in der weißrussischen Hauptstadt teil
Ein Gedenkstein für die verschleppten und ermordeten Juden aus Köln, Bonn, dem heutigen Rhein-Sieg-Kreis und weiteren Orten des Rheinlandes ist anlässlich des 65. Jahrestags der Auflösung des Ghettos Minsk enthüllt worden. Zur Übergabe des Mahnmals und den umfangreichen Gedenkveranstaltungen der jüdischen Gemeinde und der Stadt Minsk reisten der Bonner Bürgermeister Helmut Joisten, Peter Sörries, Mitglied im Rat der Stadt Köln, sowie Astrid Mehmel, Leiterin der Gedenkstätte Bonn, und Dr. Karola Fings, stellvertretende Direktorin des Kölner NS-Dokumentationszentrums, in die weißrussische Hauptstadt. Hunderte Teilnehmer ließen die Feierlichkeiten zu eindrucksvollen Zeichen des Gedenkens und der Erinnerung werden.
Gestaltet wurde der Gedenkstein von Leonid Levin, einem bekannten weißrussischen Architekten und Künstler und zugleich Präsidenten des Verbandes jüdischer Gemeinden in Belarus. Das Mahnmal, mit seiner dreisprachigen Inschrift in russisch, hebräisch und deutsch, erinnert vor allem an die Opfer der Deportation aus Köln vom 20. Juli 1942. In dem vom Stadtteil Deutz abgehenden Zug befanden sich damals 1.163 Menschen, davon mehr als die Hälfte aus Köln und 220 Personen aus Bonn. Die übrigen Opfer kamen aus den Kreisen Köln, Bonn, dem Sieg-Kreis und anderen Orten des Rheinlandes. Der Transport zählt damit zu den Deportationsfahrten mit den meisten Menschen aus Köln und dem Umland.
Unter den Deportierten befanden sich viele Kinder und Jugendliche aus dem jüdischen Kinderheim und dem jüdischen Realgymnasium Jawne. Niemand von ihnen überlebte. Direkt nach der Ankunft des Transports wurden sie in einem Wald bei Blagowschtschina in der Nähe des Vernichtungslagers Maly Trostenez vor ausgehobenen Gruben ermordet.
In Folge des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion 1941 wurden allein in Belarus fast 2,2 Millionen Menschen getötet. Durch den Einmarsch der deutschen Truppen gerieten Millionen jüdischer Menschen in den Machtbereich der Nationalsozialisten. Die deutschen Besatzer gingen mit ungeheurer Brutalität vor. Auch die belarussischen Juden wurden misshandelt, ausgeraubt, und ermordet. Hunderttausende wurden in Ghettos zusammengetrieben. Allein im Minsker Ghetto wurden 80.000 Juden ermordet.
Der nun vorgestellte Gedenkstein, der dazu aufruft, die große Zahl der Opfer nicht zu vergessen, wurde durch eine Kooperation der Städte Köln und Bonn sowie des Rhein-Sieg-Kreises finanziert. Mitglieder und Förderer der Gedenkstätten Bonn und Köln unterstützten, neben vielen einzelnen Spendern sowie dem Katholikenausschuss und dem Diözesanrat Köln, das Anliegen mit großzügigen Zuwendungen.
Den Auftakt der Gedenkveranstaltung an diesem Tag bildete die Übergabe eines ebenfalls von Leonid Levin gestalteten Mahnmals, das an die ermordeten Menschen des Ghettos Minsk erinnern soll. Zu seiner Einweihung in einem Park, in dem sich im damaligen jüdischen Ghetto der Friedhof befand, erschienen neben den wenigen Überlebenden des Ghettos auch der Bürgermeister von Minsk, der deutsche Botschafter in Weißrussland Dr. Gebhardt Weiss sowie zahlreiche Gäste aus dem In- und Ausland.
Anschließend wurde dann der Gedenkstein für die deportierten Juden aus Köln und Bonn enthüllt. Der Botschafter der Republik Belarus in Deutschland, Wladimir Skwarzow, würdigte die Errichtung des Steins als einen wichtigen Beitrag zu Versöhnung zwischen den Völkern. Bonns Bürgermeister Joisten betonte in seiner Rede, dass es der Stadt Bonn, die Minsk mit einer Städtepartnerschaft verbindet, ein Bedürfnis sei, den Gedenkstein als Mahnmal zu übergeben, damit das unermessliche Leid, das den Opfern der Nationalsozialisten zugefügt wurde, nicht vergessen werde. Er schloss mit den Worten: "Die Stadt Bonn mit ihren Bürgerinnen und Bürgern will mit diesem Gedenkstein ein Zeichen setzen und den Menschen gedenken. Wir verneigen uns vor den Opfern".
Das Kölner Ratsmitglied Peter Sörries, der gemeinsam mit Joisten den Gedenkstein enthüllte, führte aus: "Der Gedenkstein ist ein Zeichen dafür, dass die Opfer der Shoah nicht vergessen sind. Wir erinnern mit ihm an die mehr als 1.170 jüdischen Männer, Frauen und Kinder, die seit 1942 aus Köln, Bonn, dem Siegkreis und weiteren Orten des Rheinlandes deportiert und bei Maly Trostenez ermordet wurden. Er zeigt, dass wir das ehrende Andenken an sie bewahren möchten".
Joisten und Sörries wiesen darauf hin, dass die Städte Bonn und Köln sich auch in Zukunft weiter für eine Würdigung der Opfer einsetzen werden. Im Namen beider Städte legten sie anschließend Kränze im Namen der Bundesstadt Bonn und der Stadt Köln an dem Gedenkstein nieder.
Ergreifende Worte des Gedenkens fand auch der Kurator des Internationalen Bildungs- und Begegnungswerks Dortmund (IBB), der frühere Innenminister des Landes NRW, Herbert Schnoor, der seine Ansprache in russischer Sprache hielt: "Ich selbst empfinde Scham für die Verbrechen, welche von Deutschland und den Deutschen begangen worden sind. Ich sage aber auch, dass die Errichtung des Gedenksteins mich freut. Und ich bin zuversichtlich, dass es gelingen wird, noch ein oder zwei weitere Gedenksteine aufzustellen."
Bereits für das kommende Jahr kündigte Uwe Neumärker von der Bundesstiftung "Denkmal für die ermordeten Juden Europas" die Errichtung eines Gedenksteins in Berlin an. Er wird an die 1.200 Jüdinnen und Juden erinnern, die aus Berlin nach Minsk deportiert wurden. Bereits in den 1990er Jahren waren an diesem Platz Mahnmale für die aus Hamburg, Düsseldorf und Bremen deportierten Juden aufgestellt worden.
Zum Abschluss der Veranstaltung übergaben schließlich junge Minsker Bürgerinnen und Bürger Blumen an die Ghetto-Überlebenden, die diese an dem neu aufgestellten Gedenkstein niederlegten.
Weiteren Plänen zufolge soll auf dem Gelände des Vernichtungslagers Maly Trostenez, etwa 13 Kilometer außerhalb der Stadt Minsk, in den kommenden Jahren eine weitere Gedenkstätte entstehen. Erste Kooperationsansätze für eine Zusammenarbeit besprachen Bürgermeister Helmut Joisten, Karola Fings, Astrid Mehmel und Uwe Neumärker mit der Minsker Stadtverwaltung.
Parallel zu den mehrtägigen Gedenkveranstaltungen fand im IBB Minsk ein wissenschaftliches Symposium zu den Ereignissen während der deutschen Besatzungszeit statt. Professor Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin, stellte dort die Ergebnisse eines dreijährigen Forschungsprojekts unter dem Titel "Judenverfolgung in Weißrussland" vor. In seinem Fazit zu den Untersuchungen der Forschungsgruppe und den Gedenkveranstaltungen vor Ort betonte Benz den Anspruch, dem sich die Geschichtswissenschaft zu stellen habe: "Aufgabe der Geschichte ist es, im Detail aufzuzeigen, was geschehen ist und wie, damit nicht nur die leeren Statistiken von den schrecklichen Ereignissen bleiben (... ) Wissenschaft und Empathie sind nötig, um die historische Wahrheit zu ermitteln und zu bewahren."

