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Gedenkstättenitarbeiterinnen und -mitarbeiter aus NRW auf erinnerungskulturellem Austausch in Griechenland

Verfasst am 23. September 2019

Der Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte NRW e.V., ein Zusammenschluss von 29 Institutionen aus Nordrhein-Westfalen mit Sitz am Geschichtsort Villa ten Hompel in Münster, hat eine 18-köpfige Delegation nach Griechenland entsendet. Diese Delegationsreise wird durch eine Förderung der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen ermöglicht. In einem angesichts der Reparationsdebatte hoch aktuellen und sensiblen Feld versucht diese vor Ort mit Erinnerungspartnern in den erinnerungskulturellen Austausch zu gehen und den binationalen Dialog zu stärken. Auf der ersten Station auf Kreta stellten die Gedenkstättenvertreter fest, welch verheerende Wirkung die deutsche Besatzungspolitik während des Zweiten Weltkrieges in Griechenland hatte – und wie wenig diese im kollektiven Gedächtnis Deutschlands verankert ist. Deutlich wurde dies etwa in den in Griechenland als „Märtyrerdörfer“ und „Opfergemeinden“ bezeichneten Orte wie Floria und Kandanos, in denen deutsche Besatzer Kriegsverbrechen begingen und teils als Vergeltungsmaßnahmen über 10% der ansässigen Zivilbevölkerung umbrachten. Für interne Diskussionen sorgten von Deutschen noch während der Besatzungszeit errichteten Mahn- und Ehrenmale auf Kreta, die im starken Kontrast zu griechischen Initiativen standen und stehen – und oft noch heute in ihrer unmittelbaren Nähe unkommentiert zu finden sind. Der Umgang mit diesen Spuren deutscher Besatzung sind umgekehrt auch in den griechischen Gemeinden Teil einer lebhaften Diskussion. Die Arbeit der lokalen Akteure, etwa die Kulturvereine in den „Märtyrerdörfern“, gilt es in diesem Zusammenhang zu stärken. In Athen und den umliegenden, so genannten „Opferdörfern- und Märtyrergemeinden“ Kalavryta und Distomo machte die Delegation höchst spannende und heterogene Erfahrungen. In Kalavryta tauschte sich die Gruppe mit dem örtlichen Museum aus, das über den Holocaust vor Ort aufklärt – ein griechisches Wort, dass anders als im deutschen Kontext für das Niederbrennen von Ortschaften steht – und suchte das Gespräch mit dem amtierenden Vorsitzenden der „Opfergemeinden- und Märtyrerdörfer“. In der Gemeinde Kaisariani nahe des Athener Stadtzentrums, wo rund 600 Griechen durch die deutschen Besatzer erschossen wurden, führte die Delegation ihren Austausch fort und sprach mit Zeitzeugen. In der Deutschen Botschaft lernten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Grundidee des „Deutsch-Griechischen Zukunftsfonds“ sowie die dadurch geförderten Projekte kennen. Nicht überall jedoch wird diese Idee geteilt: In der Märtyrergemeinde Distomo, wo deutsche Besatzer am 22. Juni 1944 ein verheerendes Massaker an der Zivilbevölkerung verübten und 218 Zivilisten, darunter auch Säuglinge ermordeten, wird eine Zusammenarbeit mit dem Zukunftsfonds aufgrund der als mangelhaft empfundenen materiellen und moralischen Entschädigung des deutschen Staates abgelehnt. Auch diese Station war ein hoch interessantes Puzzlestück zum Verständnis der heterogen geführten Debatte in Griechenland. 

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