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"Gedenkorte sind nur so wirkungsstark wie ihr gesellschaftlicher Rückhalt" Arbeitskreis gratuliert der neuen Landesregierung in Düsseldorf
Als "sehr offene und interessierte, dabei wachsame und kritikfähige Gesprächspartner" der neuen Landesregierung hat Prof. Dr. Alfons Kenkmann aus Münster die NS-Gedenkstätten in Nordrhein-Westfalen bezeichnet. Offiziell gratulierte der Vorsitzende des Zusammenschlusses aller historischen Erinnerungsorte in Rheinland, Westfalen und Lippe dem Ministerpräsidenten Dr. Jürgen Rüttgers zu seiner Wahl im Parlament und zur heutigen Kabinettsvorstellung in Düsseldorf. Zugleich lud Kenkmann, der den städtischen Geschichtsort Villa ten Hompel in Münster leitet und zurzeit wegen seiner Professur für Geschichtsdidaktik an der Universität Leipzig beurlaubt ist, die Vertreter/innen der Einrichtungen im Arbeitskreis zu einer Sondersitzung nach Münster ein. Neben Projektplanungen und Satzungsthemen stehe aktuell eine breite Diskussion über die politischen Weichenstellungen auf Landes- und auf Bundesebene im Mittelpunkt der kurzfristig anberaumten Mitgliederversammlung. Stattfinden solle sie gleich Anfang Juli am Geschichtsort Villa ten Hompel.
Rund zwei Dutzend völlig unterschiedliche Institutionen in allen Regionen von Nordrhein-Westfalen (von ehrenamtlich getragenen Vereinen zur Mahnmal-, Grab- oder Gedenktafelpflege bis hin zu Archiven, großen parteiübergreifenden Dokumentationszentren sowie kommunalen Fachämtern) würdigen die Opfer der braunen Diktatur oder untersuchen kritisch Handeln bzw. Biografien von NS-Tätern. An die verschiedenen Verfolgtengruppen, an Verführung, Terror und Gewalt im so genannten "Dritten Reich" zu erinnern, sei in NRW nie eine Frage politischer Färbungen, sondern stets ein "Verantwortungsbewusstsein im großen Konsens" gewesen. "Gedenkorte sind eben nur so wirkungsstark, eindrucksvoll und zukunftsfähig wie ihr jeweiliger gesellschaftlicher Rückhalt", unterstrich Alfons Kenkmann. "Den Schulterschluss aller Demokraten in NRW muss es dauerhaft geben - also auch alltags, wenn gerade mal keine besonderen Jahrestage anstehen oder wenn Rechtspopulisten nicht als Demonstranten mit dumpfen Parolen irgendwo sicht- und hörbar sind..."
Konkrete Kritik äußerte Alfons Kenkmann gegenüber bestimmten Wissenschaftsdisziplinen, denen die Bedeutung der Forschungs-, Lern- und Erinnerungsorte "für eine fundierte Quellenanalyse und eine gemeinsame Geschichtskultur" wohl nicht richtig klar oder vielleicht gar nicht so wichtig seien.
An die Adresse der neuen Landesregierung richtete Alfons Kenkmann den ausdrücklichen Appell, Strukturveränderungen erst sorgsam zu prüfen und nicht voreilig einzuleiten. "Für uns ist etwa die Landeszentrale für politische Bildung ein enorm wichtiger Ansprech- und Kooperationspartner." Schon von daher dürfe hier keines der Bundesländer, das unreflektiert die Abschaffung seiner Bildungs- und Anlaufstellen für junge Menschen und für Multiplikatoren beschlossen habe, ein Vorbild sein. "Andererseits gewährt zum Beispiel Niedersachsen seinen Gedenkstätten inzwischen eine gewisse Grundförderung, um die wir uns in Nordrhein-Westfalen schon sehr lange vergeblich bemühen",verglich er. "Bisher erhalten wir nur Zuschüsse für projektbezogene Einzelmaßnahmen."

