Inhalt Seitenleiste
Fünf Jahre Haft für Demjanjuk Ehemaliger KZ-Wachmann für Beteiligung an Ermordung von 28.060 durch SS in Sobibor verurteilt
Der Beginn des Prozesses 2009 war durch ein großes Medienaufgebot begleitet worden und auch das Interesse an der Urteilsverkündung war groß. Dass es sich in diesem Fall wahrscheinlich um einen der letzten geführten Prozesse gegen einen NS-Täter handelt, wird dabei eine große Rolle spielen.
Der gebürtige Ukrainer John Demjanjuk ist von dem Münchener Landgericht am 12.05.2011 zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Nach dem anderthalb Jahre dauernden Prozess steht nun fest, dass der 91- Jährige der erste ehemalige KZ- Wachmann ist, der schuldig gesprochen wird, weil seine Anwesenheit in einem Vernichtungslager als bewiesen gilt. Demjanjuk muss sich nun für Beihilfe an der Ermordung von 28.060 Menschen durch die SS in dem Vernichtungslager Sobibor verantworten.
Expertengespräch zum Umgang mit NS-Tätern
Auch der Arbeitskreis hat seit dem Prozessauftakt diesen aufmerksam verfolgt. Im Juni 2010 berichtete Dr. Stefan Klemp („Nicht ermittelt – Polizeibataillone und die Nachkriegsjustiz“) im Rahmen eines Mittwochsgesprächs in der Villa ten Hompel eindrucksvoll von der auch international überwältigenden Medienresonanz (Bericht vom 02.06.2010 /Archiv). Dies sei erfreulich, denn festgestellt wurde, dass dieses Interesse am Umgang mit der NS-Täterschaft nicht immer so groß gewesen sei, wie Heiner Lichtenstein, ausgewiesener Experte („Himmlers grüne Helfer“), an diesem Abend zu berichten wusste, der sich an einen Prozess in Münster erinnert, der ihm aufgrund der leeren Zuschauerplätze und des nicht vorhandenen Medieninteresses in Erinnerung geblieben sei.
Mögliches Umdenken durch Demjanjuk- Urteil?
Fazit dieser Auseinandersetzung mit der Wandlung des Umgangs mit NS-Tätern in Vergangenheit und Gegenwart waren sich Christoph Spieker, Stefan Klemp und Heiner Lichtenstein mit Blick auf die Zukunft einig: Sollte Demanjuk verurteilt werden, müsste eine ganze Reihe von weiteren Prozessen gegen die vielen „Rädchen der Vernichtungsmaschinerie“, denen vorher keine direkte Täterschaft nachgewiesen wurde, folgen. Da die Verurteilung nun erfolgt ist, gilt es auch dieses mögliche, auf diesem Urteil fußende Umdenken im juristischen Umgang mit NS-Tätern in „zweiter und dritter Reihe“ zu verfolgen.
Stimmen zur Verurteilung Demjanjuks
In München selbst verfolgten die anwesenden Angehörigen der Opfer, die als Nebenkläger aufgetreten waren, das Urteil und die Urteilsbegründung mit Interesse und Hoffnung auf nun einsetzende Gerechtigkeit durch die Verurteilung des Angeklagten.
Die Entscheidung des Gerichts, den Haftbefehl gegen den 91-Jährigen aufzuheben, stößt allerdings auf ein breit gefächertes Unverständnis. Der Richter begründete die Entscheidung unter anderem mit Demjanjuks hohem Alter: Nach zwei Jahren Untersuchungshaft in München sei eine weitere Zeit im Gefängnis für den 91-Jährigen "nicht verhältnismäßig". Außerdem sei das Urteil noch nicht rechtskräftig, die Verteidigung kündigte bereits Revision an.
Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, sieht nach Anfrage von spiegel.online.de das Urteil als "Zeichen für den funktionierenden deutschen Rechtstaat". Von München gehe die "unmissverständliche Botschaft" in die Welt, dass die Täter des Holocausts für ihre Verbrechen belangt werden, sagte Knobloch am Donnerstag in München. NS-Kriegsverbrecher wüssten nun, "dass sie zur Rechenschaft gezogen werden und dass sie sich für ihr Tun verantworten müssen". Die Verurteilung hat, trotz der vorerst festgelegten Freilassung Demjanjuks, deutlichen Signalcharakter für noch lebende NS-Täter, sich ihrer Taten zu verantworten.

