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"Feind ist, wer anders denkt"

Bis zum 25. April führt in Münster die Ausstellung der Jahn-Behörde Stasi-Methoden vor Augen

Verfasst am 13. April 2011

Zwei Männer schleichen sich die Treppe eines Mietshauses hoch und warten vor einer Wohnungstür. Ein weiterer Mann kommt hinzu verschafft ihnen Zugang zu den Zimmern. Danach beginnt das, was die Stimme aus dem Off als „Konspirative Wohnungsdurchsuchung“ beschreibt. Schränke werden geöffnet und durchsucht, private Zettel auf dem Küchentisch abfotografiert, um sie als „inoffiziellen Beweis“ zu sichern. Auch das Schlafzimmer wird untersucht und von gefundenen Schlüsseln werden Abdrücke angefertigt.

Jahrelanger Alltag

Was sich heute liest wie die Passage eines Spionagekrimis war jahrelang Alltag für die Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in der DDR. Die Durchsuchungen fanden ohne Wissen der Betroffenen, ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss und oft nur auf der Grundlage vager Vermutungen statt. Die beschriebenen Bilder sind Ausschnitte aus einem Lehrfilm, der zur Schulung von Spitzeln dienen sollte. Ihnen wurde im Verlauf des Films die komplette „Bearbeitung“ eines Falles vorgeführt. Der unter dem Decknamen „Revisor“ überwachte und schließlich verhaftete Mann steht exemplarisch für viele tausend weitere Fälle von Bespitzelung von Bürgern der DDR und damit für einzelne Schicksale von Entrechtung und Verfolgung.

Wichtiger Schritt zur Aufarbeitung

Mit der Aufarbeitung dieser Ungerechtigkeiten befasst sich seit dem Wiedervereinigungsprozess in Deutschland die von der Bürgerrechtsbewegung erstrittene Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes in der ehemaligen DDR (BStU). Mehr als 111 laufende Aktenkilometer des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit wurden bereits archiviert und können teilweise auf Antrag eingesehen werden. Die Behörde hat es zum Ziel mit dieser Arbeit die Zeit der SED-Diktatur historisch, politisch, juristisch und gesellschaftlich aufzuarbeiten.

Um bundesweit auf dieses Thema aufmerksam zu machen, gibt es seit 2008 u.a. die Wanderausstellung „Feind ist, wer anders denkt“, die bis zum 25. April in Münster in der Stadthausgalerie (Innenstadt im Stadthaus I) zu besichtigen ist. Sie bietet detaillierten Einblick in den Aufbau und die Arbeit des MfS, das als „Schwert und Schild“ der Einheitspartei SED angesehen wurde. Die Ausstellung zeigt die Entwicklung des MfS von den Anfängen bis zur „Friedlichen Revolution“ 1989/90 und gliedert sich in drei Teile. Ein Teil der Ausstellung befasst sich mit dem Ministerium als Apparat der Staatssicherheit, also der „Täter-Ebene“. Der Aufbau, die Ideologie und auch die Werbung neuer Mitarbeiter werden ausführlich beschrieben. Darüber hinaus gibt es kurze Exkurse zu Themen wie der NS-Vergangenheit oder das „MfS und Terrorismus“. Zum Überblick werden an einer Zeitleiste die bedeutsamsten Ereignisse der deutsch-deutschen Geschichte und der internationalen Politik erläutert.Besonderen Wert legen die Ausstellungsmacher auf den dritten Teil der Präsentation. Dieser besteht aus insgesamt 13 Biografien von Opfern des DDR-Unrechts. Diese sind über die gesamte Ausstellung verteilt und ermöglichen den Besuchern einen noch direkteren Zugang zur Unterdrückung durch das Ministerium.

Zur Ausstellung gibt es ein breit gefächertes Rahmenprogramm mit vielen Vorträgen und Weiterbildungsangeboten. Zum Auftakt fand ein Seminar unter dem Thema „DDR - Staatssicherheit als Thema in Unterricht und außerschulischer Bildungsarbeit“ statt. Unter der Leitung von Dr. Axel Janowitz von der BStU bekamen die Teilnehmer zunächst eine Einführung in die Geschichte der MfS und deren Wirkungskreise. Dabei wurde auch der oben beschriebene Film gezeigt und besprochen. Außerdem wurden die Materialien zur Ausstellung erläutert, die vor allem für die Benutzung im Schulunterricht konzipiert wurden. Ein weiterer Höhepunkt war der Vortrag des neuen Bundesbeauftragten, Roland Jahn, als offenes Mittwochsgespräch in der Villa ten Hompel am vergangenen Mittwoch, 6. April.

Information zu Programmpunkten

Weitere Programmpunkte sind die Vorträge von Dr. Helmut Müller-Enbergs (BStU) am Dienstag, 12. April, um 19 Uhr ebenfalls in der Stadthausgalerie und von Prof. Dr. Hansjörg Geiger (Frankfurt/Main) am Mittwoch, 13. April, um 20 Uhr in der Villa ten Hompel. Geiger ist Mitglied des Bundesvorstands von Gegen Vergessen – Für Demokratie und Gründungsdirektor der BStU. Den Abschluss des Begleitprogramms bildet ein Abend mit Karl-Heinz Bomberg zum Thema „Lieder zwischen Liebe und Revolution“ am Freitag, 15. April, um 19:30 Uhr in der Rüstkammer des Rathauses/Stadtweinhauses. Der Eintritt kostet an diesem Abend 8 €, ermäßigt 4 €. Alle anderen Veranstaltungen und der Eintritt in die Ausstellung sind kostenfrei. Führungen sind buchbar bei der VHS unter Tel. 0251/492-4311. Neben der Villa ten Hompel unterstützen auch die Volkshochschule Münster, der Verein Gegen Vergessen Für Demokratie sowie das West Ost Forum Münster das Ausstellungsprojekt in Münster. In Kooperation mit der katholischen Akademie Franz Hitze Haus bietet die Villa ten Hompel Gedenkstättenfahrten zur Erinnerung an Opfer des SED-Regimes an.

Weitere Informationen unter <link http: www.bstu.de _blank external-link verweis: bundesbeauftrager für die>www.bstu.de

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