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Fachtagung: Erinnern und Gedenken. Demokratische Handlungsoptionen in der Migrationsgesellschaft Prof. Dr. Alfons Kenkmann stellte im Vortrag zum Thema „Chancen prosozialen Handelns. Handlungsanleitungen am Beispiel historischer Akteure“ pädagogisches Konzept vor.
Am Freitag, 29. August 2014, fand im Rathaus der Stadt Dortmund die Tagung „Erinnern und Gedenken- demokratische Handlungsoptionen in der Migrationsgesellschaft“ statt. Eingeladen hatten in Kooperation die DGB, die Auslandsgesellschaft NRW, die Landeszentrale für politische Bildung und die Stadt Dortmund alle MultiplikatorInnen aus dem Bereich der freien Jugendarbeit anlässlich der 40 Jahre Partnerschaft zwischen Histradut Tel Aviv- Yaffo und dem DGB NRW, um über die Zukunft des Erinnerns und Gedenkens an die Shoa zu diskutieren.
In seiner Begrüßungsrede betonte der Oberbürgermeister der Stadt Dortmund, Ullrich Sierau, die Notwendigkeit der Debatte und hob die Schwierigkeiten hinsichtlich einer gelingenden Erinnerungsarbeit im 21. Jahrhundert hervor. Er forderte „neue Formate“ und ein Umdenken in der Vermittlung der Geschichte der Shoah ohne einen Zweifel an dessen Bedeutung aufkommen zu lassen. Eine stetig wachsende Zusammenarbeit mit Israel habe in der Vergangenheit bereits verdeutlicht, dass Deutschland seine Verantwortung erkannt habe und die freundschaftlichen Beziehungen ein wichtiger Bestandteil für die Erinnerungskultur seien, so dass auch in Zukunft u.a. der Begegnung von Jugendlichen beider Länder eine große Aufmerksamkeit geschenkt werden müsse.
Gershon Gelman, Vorsitzender der Histadrut Tel Aviv- Yaffo, bekräftigte im Anschluss die Aussagen des Oberbürgermeisters und betonte eben diese freundschaftlichen Beziehungen als Notwendigkeit. Ziel müsse es sein, so Gelman, mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen einen „gemeinsamen Weg“ zu gehen und in die Jugend zu investieren, da diese nur verantwortungsvoll in der Zukunft handeln könne, wenn sie Kenntnisse über die Vergangenheit besitze. Gelman berichtete von seiner eigenen persönlichen Geschichte und der Wichtigkeit, diese zu überwinden, um deutsch- israelische Beziehungen zu knüpfen. Er sprach von einer Verantwortung, die generationsübergreifend bewusst gemacht werden müsse, um Frieden in der Welt dauerhaft zu sichern.
NRW-Jugendministerin Ute Schäfer: Jeder dritte Schulpflichte hat einen Migrationshintergrund
Ute Schäfer, Jugendministerin des Landes NRW, untermauerte die Dringlichkeit neuer Konzepte mit einem kurzen Faktencheck. Sie nannte die Zahl von über 35 % von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die schulpflichtig seien und damit in der Schule mit der deutschen Geschichte und der einhergehenden Verantwortung konfrontiert würden. Zudem zeigen die aktuellen, politischen Entwicklungen in der Welt, dass der Ausbildung von Jugendlichen mit Blick auf ihre Partizipation an einer gemeinsamen Zukunftsgestaltung große Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. In diesem Zusammenhang hob sie die herausragende Jugendarbeit in den Gedenkstätten NRW hervor und unterstreicht damit eigentlich die Notwendigkeit, deren Arbeit auch von Landesseite aus weiterhin zu fördern.
Prof. Dr. Alfons Kenkmann: Gedenkstätten als Orte der Vermittlung von Handlungsoptionen
Nach dieser einleitenden Gesprächsrunde zum Thema präsentierte Prof. Dr. Alfons Kenkmann als Vorsitzender des Arbeitskreises NS-Gedenkstätten und Erinnerungsorte in NRW e.V. ein pädagogisches Konzept. In seinem Vortrag stellte er die Biografien einzelner Personen im Kontext des Nationalsozialismus vor, die in unterschiedlichster Weise Mitmenschen während des NS-Regimes Hilfe und Schutz geboten hatten. Prof. Dr. Kenkmann stellte als Frage in den Raum, ob diese Biografien Handlungsoptionen für Individuen in anderen Kontexten hervorbringen könnten. Können diese beispielsweise Jugendlichen „Vorbilder prosozialen Verhaltens“ sein? – Prof. Dr. Kenkmann betonte die Bedeutung dieser Vorbilder, die für Jugendliche eine Orientierungshilfe für die Bewältigung der zahlreichen gesellschaftlichen Aufgaben darstellen. Eine Aufgabe sei, die Verantwortung im Rahmen von „Zivilcourage“ zu erkennen und wahrzunehmen. Deren Vermittlung, so Prof. Dr. Kenkmann, finde in den Lehrplänen des Landes so keine konkreten Vorgaben und bleibe somit zum Scheitern verurteilt. Es fehle an ausreichenden Angeboten und geeignetem Material, um den Blick auf Situationen des prosozialen Handelns zu legen. Die Verantwortung liege in den Händen von engagierten Lehrkräften, die über die Lehrpläne hinaus Jugendlichen Handlungsoptionen in ihren eigenen Kontexten vermitteln. In diesem Kontext hob Prof. Dr. Kenkmann die Bedeutung der Zusammenarbeit von Schulen und Gedenkstätten hinsichtlich der Verantwortung von Erinnern und Gedenken hervor, die auch in Zukunft weiter ermöglicht werden müsse.

