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Europäische Perspektiven der Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit Ein deutsch-polnischer Austausch im Rahmen des NRW-Polen-Jahrs
Das deutsch-polnische Verhältnis hat sich seit 1989 erheblich verbessert, ist aberdennoch nicht frei von immer wieder auftauchenden Emotionen und Irritationen, die auf polnischer Seite vor allem auf den historischen Erfahrungen der Besatzungszeit 1939 - 1945 und den Fragen ihrer unterschiedlichen Interpretationen und Gewichtungenberuhen. Insbesondere die Debatten über das Zentrum gegen Vertreibungenund die Person der Vertriebenenpolitikerin Erika Steinbach deuten auf erhebliche Empfindlichkeiten und Unsicherheiten in Polen hin und zeigen die Sorge in der polnischen Gesellschaft an, die deutsche Erinnerungskultur könnte sich – nachdem man die deutsche Verantwortung für den Holocaust anerkannt und „abgearbeitet“ habe –nun in eine neue Opferkultur verwandeln, in der die Deutschen selber, etwa die Vertriebenen und Bombenkriegstoten, im Mittelpunkt stünden. Diese immer wieder geäußerten Bedenken zu zerstreuen, fällt offenbar nicht leicht. Aber auch sonst existieren einige Unterschiede in den Erinnerungs- und Geschichtskulturen Polens und der Bundesrepublik.
Nicht nur die direkte Nachbarschaft, die Pflicht der historischen Verständigung, das Bemühen um den Aufbau eines neuen Vertrauens zwischen Polen und der Bundesrepublik und die Frage einer künftigen europäischen Deutung des 20. Jahrhunderts als Grundlage einer europäischen Identitätsbalance begründen die Notwendigkeit eines stärkeren fachlichen Austausches zwischen den professionellen Akteuren der Geschichtskulturen, sondern auch die Tatsache, dass jährlich Tausende von Schülern aus NRW aber auch erwachsene Teilnehmer und Teilnehmerinnen die Gedenkstätten der Verbrechen des Nationalsozialismus in Polen besuchen und an den dortigen Angeboten und pädagogischen Programmen partizipieren.
Allerdings gibt es auch eine breite Gedenkstättenlandschaft in Deutschland und NRW, die sich in vielfältiger Weise mit den Opfern der NS-Herrschaft und den besonderen Tätergruppen befasst. Während große Gedenkstätten wie Dachau oder Buchenwald in Polen bekannt sind, gilt dies für das Netzwerk der mittleren und kleineren, zum Teil auch spezialisierten, insgesamt 22 Einrichtungen zählenden Gedenkstätten in NRW weniger. Gerade die Gedenkstätten in NRW sind entstanden aus bürgerschaftlichem Engagement und somit nicht das Ergebnis staatlich verordneter Geschichtspolitik, sondern Ausdruck eines Bestrebens aus der Mitte der zivilen Gesellschaft Geschichte zu begreifen, darzustellen und an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern. Da es in NRW aber „herausragende“ Verbrechensorte, denen man einen Ikonenstatus anheften kann, nicht gibt, ist es seit Anfang der 1990er Jahre zu einer Diversifizierung von Geschichts- und Lernorten gekommen, die sich sehr stark über ihre thematische Fokussierung, z.B. auf Fragen der Täterschaft und einzelner Opfergruppen, oder über ihre kreative und vernetzende Bildungsarbeit definieren.
Auch in Polen hat es im letzten Jahrzehnt eine Weiterentwicklung und Neukonzeptionierung von Gedenkstätten und Museen der nationalsozialistischen Besatzungs- und Terrorzeit gegeben und außerdem gibt es manche Neugründungen oder Initiativen für neue Museen und Gedenkorte des Zweiten Weltkriegs.
Es gibt also viele Gründe auf fachlicher – historischer wie pädagogischer – Ebene eine intensivere Zusammenarbeit zu suchen und den Austausch zu fördern.
Deshalb laden wir – im Rahmen des NRW-Polen-Jahrs - polnische Pädagogen/innen und Historiker/innen, die in Gedenkstätten, Geschichtsmuseen und Initiativen arbeiten, herzlich nach NRW ein.
Der erste Teil der Veranstaltung soll dezentral in verschiedenen NRW-Gedenkstätten stattfinden. Der zweite Abschnitt besteht in einer Fachtagung, die sich mit den Problemen der Geschichtspolitik, Erinnerungskultur und der praktischen Vermittlungsarbeit beschäftigen soll und mit der Frage: Wie viel Gemeinsamkeit kann man anstreben und wie viel Unterschiedlichkeit bleibt vor dem Hintergrund nationaler Erfahrungen und Verantwortungsbestände notwendigerweise bestehen? Welche Ziele und Vermittlungsformen sollten vor dem Hintergrund europäischer Zusammenarbeit künftig angestrebt werden? Welche Forschungs- und Vermittlungsprojekte sind geeignet, die Praxis der jeweils anderen Seite anzuregen? Sind eventuell gemeinsame Entwicklungsvorhaben möglich? Und wie kann im pädagogischen Alltag mehr und unkomplizierte Kommunikation hergestellt werden?
Europäische Perspektiven der Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit– eine deutsch-polnische Fachtagung – im Lichthof Gelsenkirchen Fachtagung am 2. und 3. Juni
Ort: Lichthof Gelsenkirchen, <link http: www.lichthof.nrw.de>www.lichthof.nrw.de
Veranstalter:
Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten NRW, <link nrw>www.ns-gedenkstaetten.de/nrw
Landeszentrale für politische Bildung NRW, <link http: www.politische-bildung.nrw.de>www.politische-bildung.nrw.de
Bildungswerk der Humanistischen Union NRW <link http: www.hu-bildungswerk.de>www.hu-bildungswerk.de
in Kooperation mit dem Staatlichen Museum Majdanek Lublin
Donnerstag, der 2.6.
Bis 10.30 Uhr Anreise
10.30 Uhr Eröffnung und Begrüßung, Dr. Guido Hitze (Landeszentrale fürpolitische Bildung NRW, Düsseldorf)
11.00 Uhr Gedenkstätten in Nordrhein-Westfalen: historische Entwicklungen, Aufgaben und Arbeitsschwerpunkte heute, Prof. Dr. Alfons Kenkmann (Vorsitzender des Arbeitskreises derNS-Gedenkstätten NRW und Universität Leipzig)
12.00 Uhr NS-Gedenkstätten in Polen – Entwicklungen, Aufgaben und aktuelle Perspektiven, Dr. Marcin Zaborski (Instytut Politologii UKSW,Warzsawa)
13.00 Uhr Mittagessen
14.00 Uhr An den Nationalsozialismus Erinnern – Trends und Konfliktlinienin der deutschen Geschichts- und Erinnerungskultur: Prof. Dr.Constantin Goschler (Universität Bochum)
15.00 Uhr Trends und Konfliktlinien in der polnischen Geschichts- und Erinnerungskultur,Dr. Zofia Woycicka (Brüssel/Warschau)
16.00 Uhr Kaffeepause
16.30 Uhr Lernen in deutschen Gedenkstätten – Thesen auf Basis von Befundender Besucherforschung, Dr. Bert Pampel (Stiftung sächsische Gedenkstätten)
17.30 Uhr Der Umgang mit unterschiedlichen Erinnerungen an Holocaust und II. Weltkrieg – Erfahrungen aus der Gedenkstätte Majdanek/Lublin, Wieslav Wysok (Gedenkstätte Majdanek)
19.00 Uhr Abendessen
20.00 Uhr Empathisch und multiperspektivisch Erinnern – Erfahrungen ausdeutsch-polnischen Seminaren, Dr. Zbigniew Wilkiewicz (GesamteuropäischesStudienwerk Vlotho)
Freitag, der 3.6.
8.00 Uhr Frühstück
9.00 Uhr Beispiele pädagogischer Ansätze aus der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, Hilde Jakobs und Astrid Wolters, M.A. (Mahn- undGedenkstätte der Landeshauptstadt Düsseldorf)
9.45 Uhr Der pädagogische Umgang mit der Leere des Ortes – Das Beispiel der Gedenkstätte Belzec, Ewa Koper (Gedenkstätte Belzec)
10.30 Uhr Kaffeepause
11.00 Uhr Beispiele pädagogischer Arbeit aus der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau; Andrzej Kacprzyk/Ewa Matlak (Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau)
11.45 Uhr Konkretion – Perspektivität – neue Fragen. Biographieorientierte Bildung in Gedenkstätten; Dr. Heidi Behrens/Dr. Norbert Reichling (Bildungswerk der Humanistischen Union, Essen)
12.30 Uhr Mittagessen
14.00 Uhr Die Ausstellung über die Konzentrationslager vor dem Hintergrund des Ausstellungskonzepts des Museums des II. Weltkrieges, Anja Muller und Daniel Logemann (Museum des II. Weltkrieges, Danzig)
14.45 Uhr Zur Integration von historischer Bildung und Menschenrechts- und Demokratielernen; Dr. Annette Eberle (Universität Leipzig)
15.30 Uhr Europäische Perspektiven und demokratiepädagogische Schlussfolgerungen der Gedenkstättenarbeit – eine Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Claudia Kraft (Universität Erfurt), Prof. Dr. Jan Piskorski (Universität Stettin) und Dr. Wolf Kaiser (Haus der Wannseekonferenz)
16.45 Uhr Verabschiedung
17.00 Uhr Ende der Tagung
Tagungssprachen:deutsch und polnisch, Simultanübersetzung
Zielgruppe/Teilnehmer/innen der Tagung: Gedenkstättenmitarbeiter/innen aus Polen und Deutschland, politische Bildner/innen und Historiker/innen aus NRW, Lehrer/innen
Leitung und Begleitung:
Dr. Paul Ciupke (Bildungswerk der Humanistischen Union NRW, Essen)
Dr. Guido Hitze (Landeszentrale für politische Bildung NRW)
Prof. Dr. Alfons Kenkmann (Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten NRW und Universität Leipzig)
Astrid Wolters, M.A. (Mahn- und Gedenkstätte der Landeshauptstadt Düsseldorf)
Übersetzung Fachtagung:
Dr. Joanna Obrusnik-Jagla (Düsseldorf)
Bogdan Seyda (Düsseldorf)
Kosten: Die Teilnahme ist kostenlos.

