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Eröffnung der Ge-Denk-Zellen in Lüdschenscheid Die Gedenkstätte feierte mit Arbeitskreis-Vorstandsmitglied Dr. Ulrike Schrader und zahlreichen Gästen letztes Wochenende die Neueröffnung
Die Entstehung der Gedenkstätte - der Arbeitskreis half mit
Am 23. November 2012 wurden in Lüdenscheid die Ge-Denk-Zellen Altes Rathaus eröffnet. Die ersten Bemühungen, die ehemaligen Haftzellen des alten Rathauses zu einem Ort des Gedenkens an die Opfer der NS-Herrschaft in Lüdenscheid zu machen, liegen nun schon sieben Jahre zurück.
Die Verantwortlichen der nun eröffneten Gedenkstätte in Lüdenscheid hatten im Laufe der Zeit immer wieder mit einem heftigen lokalpolitischen und stadtgesellschaftlichen Gegenwind zu kämpfen. Bereits im Jahr 2003, als die Stadt Lüdenscheid die Gedenktafel für die Opfer des Nationalsozialismus von der Außenwand des Rathauses entfernen ließ, entstand die Idee eines Gedenkbuches für die Menschen zu erarbeiten, die in Lüdenscheid unter der menschenverachtenden Ideologie des Nationalsozialismus gelitten hatten. 2005 gründete sich der „Initiativkreis Ge-Denk-Zellen Altes Rathaus“, der die Errichtung einer Gedenkstätte in dem ehemaligen Polizeigefängnis durch die Stadt beantragte. Im Jahr 2008 folgte der Vorstand des „Arbeitskreises der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW e.V.“ einer Einladung des Initiativkreises nach Lüdenscheid und empfahl den Mitgliedern die Gründung eines eigetragenen Vereins, welche im Jahr 2010 erfolgte.
Im folgenden Jahr lehnte der Lüdenscheider Rat den Antrag zur Errichtung einer Gedenkstätte in den ehemaligen Arrestzellen durch die Stadt ab. Man gestatte dem Förderverein „Ge-Denk-Zellen Altes Rathaus Lüdenscheid e.V.“ die Errichtung der Gedenkstätte unter der Voraussetzung, dass der Stadt 20.000 € für die notwendigen Umbaumaßnahmen zur Verfügung gestellt werden würden. Die Vereinsmitglieder konnten die erforderliche Summe bis zum Oktober desselben Jahres aufbringen und die Umbauten in den alten Haftzellen begannen. Letzte Woche öffneten die Ge-Denk-Zellen Altes Rathaus ihre Türen mit der fertiggestellten Ausstellung, die sich über zwei ehemalige Arrestzellen und einen Teil des Flures erstreckt.
Die Ge-Denk-Zellen Altes Rathaus
Über die ehemaligen Arrestzellen – ihre Ausstattung, die Belegungspraxis – ist heute nur wenig bekannt, da ein Großteil der relevanten Dokumente 1945 zerstört wurde. In den Kellerräumlichkeiten des Rathauses in der Wilhelmstraße befanden sich fünf Haftzellen und der Dienstraum der Polizei. 1931 belief sich das Polizeiaufgebot der Stadt Lüdenscheid auf 31 Mann. Es wurde nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten im Jahr 1933 um eine Reihe von Hilfspolizisten erweitert. Der Oberbürgermeister der Stadt Lüdenscheid richtete im Juni 1934 im Dienstraum der Polizei die Ortswache der SA ein. Im Jahr 1945 gehörten der Polizei Lüdenscheid 81 Polizisten an. 56 von ihnen befanden sich in der Gefangenschaft der Alliierten. Während des Zweiten Weltkrieges waren sie als Mitglieder von Polizeibataillonen maßgeblich an den nationalsozialistischen Vernichtungsverbrechen beteiligt.
Bei den ehemaligen Arrestzellen im alten Rathaus in Lüdenscheid handelt es sich um einen Täterort. Die in der Gedenkstätte realisierte Ausstellung dient vorrangig dem Gedenken an die Opfer der Verbrechen der nationalsozialistischen Gesellschaft. In der ersten Zelle wird mittels biographischer Beispiele an jüdische Lüdenscheiderinnen und Lüdenscheider, ihre Leben und an die Verfolgung, der sie während des Nationalsozialismus ausgesetzt waren, erinnert. Im Gedenken an die jüdische Gemeinde der Stadt Lüdenscheid findet sich in dem Ausstellungsraum eine Vitrine mit Gegenständen jüdischer Kultur. Die politische Verfolgung im nationalsozialistischen Lüdenscheid wird in der danebenliegenden zweiten Zelle anhand der Schicksale von Bürgern, die sich im Rahmen von Politik und Gewerkschaft engagiert hatten, thematisiert. Auf dem Flur der Gedenkstätte wird anhand der Themen Zwangsarbeit und Euthanasie an weitere in der nationalsozialistischen Gesellschaft verübte Verbrechen und an die Menschen, die unter ihnen gelitten haben, erinnert.
Zu der Ausstattung der Gedenkstätte in Lüdenscheid gehören des Weiteren mehrere Hörstationen, an denen Besucherinnen und Besuchern gesprochene Informationentexte und historische Tonmaterialien zugänglich gemacht werden. An Monitoren mit Touchscreens lassen sich weitere Informationen, Dokumente und auch Videos abrufen. Einer der Monitore beinhaltet eine der Besonderheiten der Ge-Denk-Zellen Altes Rathaus: Einen „Wahlomaten“, an dem Besucherinnen und Besucher ihre persönlichen politischen und gesellschaftlichen Einstellungen mit den Positionen der NSDAP und anderen 1933 existierenden Parteien auf mögliche Übereinstimmungen überprüfen können.
Die Verantwortlichen der Ge-Denk-Zellen möchten mit ihren Angeboten allen voran Jugendliche erreichen. Es haben sich bereits mehrere Schulklassen bei der Gedenkstätte in Lüdenscheid angemeldet. Das Programm der Ge-Denk-Zellen sieht vor, dass sich zunächst die eine Hälfte der Klasse mit der Ausstellung und den Angeboten in den Ge-Denk-Zellen auseinandersetzt, während sich die andere Hälfte der Schülerinnen und Schüler bei einer Stadtführung auf den Spuren des nationalsozialistischen Lüdenscheids bewegt.
Die Eröffnungsfeier der Gedenkstätte in Lüdenscheid
Matthias Wagner, Vorsitzender des Vereins „Ge-Denk-Zellen Altes Rathaus Lüdenscheid e.V.“, ging während seiner Rede bei der Eröffnungsfeier der Gedenkstätte auch auf die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen ein, mit denen sich die Stadt Lüdenscheid und ihre Bürgerinnen und Bürger konfrontiert sehen. Dabei thematisierte er lokale Missstände, wie die mehrmaligen Schändungen des jüdischen Friedhofs in Lüdenscheid. Auch die alltägliche Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund an verschiedenen Veranstaltungsorten in der Stadt oder ein rechtsradikalen Drohbrief, der an einen örtlichen Kindergarten gesendet worden war, führte Wagner an. Die Frage, ob sich die Ge-Denk-Zellen in Lüdenscheid auch mit diesen aktuellen Fragen der Menschenfeindlichkeit auseinandersetzen und auch in diesen Bereichen politische Bildung betreiben wollen, ist innerhalb des Teams jedoch umstritten.
In ihrer Rede begrüßte Dr. Ulrike Schrader, stellvertretende Vorsitzende des Arbeitskreises der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW e.V. und Leiterin der Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal, die Gedenkstätte Lüdenscheid als jüngstes Mitglied im Arbeitskreis. Sie verwies auf die im Vergleich zu anderen Städten späte Realisierung einer Gedenkstätte in Lüdenscheid, machte jedoch deutlich, dass dieser Umstand hinsichtlich des Rückgriffs auf bereits geleistete Forschung und Erkenntnisse der Gedenkstättenpädagogik auch als eine Chance begriffen werden könnte. Mit Blick auf den in Lüdenscheid ausgeprägten Widerstand gegen das Ge-Denk-Zellen-Projekt betont Dr. Schrader die Bedeutung der Vernetzung der Gedenkstätten im Bundesland: „Es braucht noch Zeit und die Rückendeckung von den Kollegen aus NRW“.
Die Ge-Denk-Zellen Altes Rathaus sind jeden Mittwoch von 10 bis 17 Uhr für Besucherinnen und Besucher geöffnet.
Weitere Informationen finden sich unter: <link http: www.ge-denk-zellen-altes-rathaus.de>

