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Erinnerungen an Ilse Uhlman, eine verlorene Freundin

Lehrmaterial: LWL-Medienzentrum bietet mit biographischer Filmsammlung Zugang zu jüdischer Geschichte in Ostwestfalen

Verfasst am 09. November 2010

Spätestens mit Eintritt in die Mittelstufe beginnt für Schülerinnen und Schüler in Deutschland die ausführliche Thematisierung des Nationalsozialismus im Unterricht. Mahnmale und Gedenkstätten an Deutschlands dunkle Vergangenheit finden sich beinahe in jeder deutschen Stadt, die Aufarbeitung des Dritten Reiches zeigt viele Facetten.

Und dennoch - dass der Nationalsozialismus nicht nur in der nächsten Großstadt, sondern auch in der eigenen Lebenswelt, vielleicht in den alten Gemäuern des Nachbarhauses herrschte, ist den meisten Schülern nicht bewusst.

In der vor kurzem erschienenen Lehr-DVD, „Brief an eine verlorene Freundin“, holt das LWL-Medienzentrum, gemeinsam mit dem LWL-Freilichtmuseum Detmold, den Alltag des Dritten Reiches vor die eigene Haustür, ins malerische Dörfchen Ovenhausen.

Fünf ganz unterschiedliche Szenen geben dem Zuschauer biographische Zugänge zu jüdischer Geschichte in Ostwestfalen. Protagonist ist das junge Mädchen Ilse Uhlmann. Die schwarz-weiß Bilder zeigen ein junges, ernstes Gesicht, der lange, geflochtene Zopf half ihr stets, den Judenstern auf der Brust zu verdecken. Ilse lebte mit ihrer Familie auf dem Land, ganz in der Nähe von Höxter. Wie so viele andere, sollte sie die Folgen des Nazi-Regimes nicht überleben.

Doch die Uhlmanns leben in den Köpfen Vieler weiter. Ruth Margalit, eine Schulkameradin aus Kindertagen, schreibt einen Brief an ihre geliebte Freundin. Schweren Herzens erinnert sie sich an die gemeinsamen Schulstunden, die schöne Zeit in Ilses Elternhaus in Ovenhausen und an die vielen vergossenen Tränen. „Liebe Ilse, ich will Dir erzählen, Ihr seid nicht in Vergessenheit geraten.“ Das ist die Familie Uhlmann ganz und gar nicht. Am 9. September 2007 wurde das wiederaufgebaute „Haus Uhlmann“ im LWL-Freilichtmuseum in Detmold feierlich eröffnet.

Stellvertretend für das Schicksal der über 6 Millionen ermordeten Juden, steht im LWL-Medienpaket die Familiengeschichte der Uhlmanns; wird aus persönlich-emotionaler, wie auch aus distanzierter, historisch-politischer Perspektive beleuchtet. Im zweiten Abschnitt der Lehr-DVD findet der Zuschauer eine kleinen Ausschnitt jüdischen Lebens und Wirkens zu Beginn des 20. Jahrhunderts, und beschreibt zugleich die Geschichte der Familie Uhlmann in Ovenhausen. In klaren Linien projiziert die filmische Bildersammlung eine tragische Familiengeschichte und verzichtet dabei auf jegliche künstliche Emotionalisierung.

Der dritte Kurzfilm stellt dem jungen Betrachter drei Detmolder Schülerinnen vor, mit welchen dieser die Spuren der jüdischen Familie in Ostwestfalen verfolgt und das LWL-Freilichtmuseum kennenlernt.

Während die dokumentarischen Ausschnitte die Familiengeschichte in nüchterner Wort- und Bildsprache beschreibt, bekommen die Ereignisse in den Interviews mit Ruth Margalit und Karla Raveh ein Gesicht. „Im Großen und Ganzen saßen alle, wie auf dem Pulverfass – wann kommen wir dran?“ Gemeinsam mit Ruth Margalit und Ilse Uhlmann, hat auch Karla Raveh die jüdische Schule in Detmold besucht. Wie nur wenige der anderen Klassenkameradinnen, haben Frau Raveh und Frau Margalit den Holocaust überlebt. Nun stellt sich Karla Raveh im Geschichtsunterricht den unschuldigen Fragen der Mädchen und Jungen der Gesamtschule Detmold. Die sympathische, alte Dame und ihre Erinnerungen an die NS-Zeit verwirren, erschrecken und fordern die jungen Gesichter.

Die persönlichen, biographischen Berichte der beiden Frauen geben besonderes Identifikationspotenzial für heutige Schülerinnen und Schüler; bieten die Chance, Ausgrenzung, Deportation und Vernichtung am Einzelschicksal ganz konkret erfahrbar und nachvollziehbar zu machen.

Mit dem Gesamtwerk „Brief an eine verlorene Freundin“ bietet das LWL-Medienzentrum eine detailreiche, multiperspektivische Filmcollage. Die Produzenten verzichten auf visuelles Ausschmücken und legen die Betonung auf die reine Information. Zusätzlich zu den fünf Filmen enthält die DVD in einem ROM-Teil ausgewählte Materialien – Fotos, historisches Quellenmaterial, Unterrichtshinweise, Literatur und Weblinks – die am Computer unmittelbar und in beliebiger Reihenfolge abrufbar sind. Für den Unterricht eröffnen diese Materialien mehrkanalige Formen der Vermittlung von historischen Inhalten und unterstützen die Etablierung handlungsorientierter, entdeckender und selbstständiger Lernmethoden.

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