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Die "neue Gedenkhalle" öffnet ihre Türen

Ausstellung über Oberhausen im Nationalsozialismus richtet Fokus auf Leben der Zwangsarbeiter

Verfasst am 16. Dezember 2010

Als erste Gedenkstätte in ganz Westdeutschland öffnete am 2. September 1962 die Gedenkhalle im Südflügel des Schlosses ihre Türen – und zeigte damit der jungen Republik, dass für Oberhausen ein ehrlicher Umgang mit der Vergangenheit wichtig ist. Fast 50 Jahre später lädt Clemens Heinrichs Politik und Prominenz wieder ein – und eröffnet am 12.12.2010 die „neue Gedenkhalle“, die Dauerausstellung „Nationalsozialismus in Oberhausen“.

Lockere Jazzmusik des Michael Gerbracht Trios verkündet eine Atempause – das Publikum lehnt sich einen Augenblick zurück, lässt den Vortrag von Prof. Dr. Günter Morsch wirken. Nach einer Einführung über Ausstellungshistorie, aktuellen Bezügen und einer Kurzvorstellung des Ausstellungsprogramm wählt der Direktor der Stiftung Brandenburgischer Gedenkstätten auch seine letzten Worte mit Bedacht. Er zeichnet dem Publikum eine Szene, die sich während der Zeit des Nationalismus in einem Oberhausener Stadtviertel zugetragen hat: „Ganz normale Bürger“ werden zum Täter, als ein „Ostarbeiter“ aus geringfügigen Beweggründen angeklagt, verschleppt und auf grausamste Weise in Selbstjustiz ermordet wurde. Die offene Gewalt erweckte Aufsehen, zog Passanten an. Kritische Stimmen gab es nicht, die Neugierigen solidarisierten sich kurzerhand mit den Akteuren und unterstützten den Gewaltakt mit eigenen Händen. Ein Beitrag, der auf der Feier zur Neueröffnung der Gedenkhalle zum Nachdenken anregt. Und der Frage nach der „Täterschaft“ früher und heute neue Facetten hinzufügt.

Unter der Leitung von Clemens Heinrichs wurde der Gedenkhalle im Oberhausener Schloss ein neues Gesicht gegeben. Zentraler Aspekt in der Aufarbeitung des lokal erlebten Nationalsozialismus ist die rassistische Behandlung der Zwangsarbeiter im Ruhrgebiet. In der Erinnerungslandschaft Nordrhein-Westfalens ein bisher vernachlässigtes Thema. Clemens Heinrichs beendete die Eröffnungsfeier im TZU (Technischen Zentrum Umweltschutz) mit Danksagungen an seine Mitarbeiter, die prominenten Ehrengäste und Redner und bot den ersten Besuchern eine unmittelbare Führung durch die Ausstellungshallen.

Strahlend hell erleuchtet die Gedenkhalle den grauen Dezembernachmittag. Erzählen alte Bilder noch von der vielfarbigen Ausstellung der 80er Jahre, dominiert nun das Klare, Helle, fast Klinischweiße den Südflügel des Schlosses. Fast so, als wolle man mit dem warmen, indirekten Licht und den grau-weißen Ausstellungswänden auf Transparenz und eine saubere Vergangenheitsaufarbeitung hinweisen. Für das Selbstverständnis der Stadt ist die Gedenkhalle schon lange ein zentraler Ort. Einige Elemente wurden aus den Ausstellungen der 60er und 80er Jahre übernommen. So auch die mächtigen Messingbuchstaben im Vorraum, welche den Zuschauer mit Worten des neuen Testamentes begrüßen. „Nur die Wahrheit wird uns frei machen“ (Johannes 13,34) – die uralte Prophezeiung erinnert das postnationalsozialistische Deutschland an zynische Schriftzüge einer dunklen Geschichte.

Der kleine Vorraum widmet sich mit selbstkritischem Blick Historie und Entwicklung der Gedenkhalle und spiegelt indes erinnerungskulturelle Umbrüche in der Vergangenheitsbearbeitung wider. Gerade Linien zeigen eine moderne Einrichtung: Inmitten einer gelungenen Mischung aus Text, historischen Dokumenten, Plakaten und Gegenständen, glänzen die in die Wand eingelassenen technischen Hilfsmittel. Ein großer Touchscreen und einzelne, bedacht situierte Monitore füllen die Stille des Raumes mit Leben, mit bewegten und sich interaktiv bewegenden Bildern. Und werden damit der Medienkompetenz des Museumspublikums von heute gerecht.

Ein Rundlauf durch die Ausstellung führt den Zuschauer durch das Oberhausen der 1930er und 40er Jahre. Die schmalen Außengänge erzählen in chronologischer Reihenfolge von einem Leben vor, während und nach der nationalsozialistischen Diktatur in Oberhausen. Der prüfende Blick ins Nachbarhaus hinterlässt oftmals einen bitteren Nachgeschmack. „Der Erfahrungsraum Geschichte ist heute vielschichtiger, als zuvor“, erklärt Ausstellungsleiter Clemens Heinrichs. Eine einfache Unterscheidung in „gut“ und „böse“ zeige sich heute als unangebracht und täusche über Wahlmöglichkeiten – jenseits von Gefolgschaft und rigoroser Ablehnung – hinweg.

Betritt der Besucher das Innere des Kubus, blenden ihn Helligkeit und die bedrückende Realität der über 11.000 Zwangsarbeiter in Oberhausen. Ein großer, in die Wand eingelassener Bildschirm bannt den Museumsbesucher. Eine historische Stadtkarte Oberhausens lässt sich durch leichte Berührung des Bildschirms bewegen und verrät einstige Standorte der Gemeinschaftslager sowjetischer Gefangener. Während sich die äußeren Gänge Macht und Ohnmacht innerhalb der deutschen Volksgemeinschaft widmen, erscheinen die größtenteils aus dem Osten verschleppten Zwangsarbeiter als Protagonisten im inneren Teil der Halle. Kleine Verbindungen zwischen Außen- und Innengang der Ausstellung zeigen in anschaulicher Weise Wechselwirkungen zwischen „Innen- und Außenwelt“ der deutschen Gesellschaft. Dem Besucher präsentiert sich auf diese Weise ein Problem von mehreren Seiten und lässt ihn die vielschichtigen Inklusions- und Exklusionspraktiken der Volksgemeinschaft erahnen.

Das 21. Jahrhundert stellt die deutsche Museumslandschaft vor einige Herausforderungen. Die reale Zeitzeugenschaft findet ihr natürliches Ende und parallel dazu brodelt in Deutschland und Europa die Ausweitung rechtsextremen Denkens. Diesen Herausforderungen ist sich Clemens Heinrichs bewusst. Insbesondere mit jungen Menschen möchten er und sein Team arbeiten, wollen über die Ausstellung hinaus frühere und heutige Handlungsoptionen diskutieren und Konsequenzen aufzeigen. Mit seiner Arbeit verbindet Clemens Heinrichs viele Wünsche. Insbesondere hofft er, „junge Menschen zu einem eigenständigen, reflektierten Denken anzuregen, um sie vielleicht auf indirekte Weise gegen doktrinäre Überwältigungsversuche zu immunisieren.“ Über die geschichtspädagogische Arbeit hinaus, plant das Team der Gedenkhalle, die – in Teilen noch unerforschte - Stadtgeschichte weiter aufzuarbeiten. Nächste Ergebnisse sollen in Wechselausstellungen Geltung finden.

Für den interessierten Laien bietet die neue Gedenkhalle schon jetzt eine hilfreiche, multimediale und interaktive Zusammenfassung. Dem Historiker und Geschichtsliebenden erschließen sich vielleicht neue Perspektiven, vor allem aber werden ihn interessante historische Details und Zeitzeugenberichte begeistern. Der Eintritt ist kostenlos.

Weitere Infos zur neuen Gedenkhalle finden Sie <link http: www.oberhausen.de gedenkhalle.php external-link verweis: stadt>auf den Seiten der Stadt Oberhausen oder im <link>Angebot der Gedenkhalle.

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