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Demokratie stärken - Rechtsextremismus bekämpfen

Was ist eigentlich Rassismus und was kann ich dagegen tun? Schüler diskutieren mit Experten über Strategien gegen rechte Gewalt

Verfasst am 22. April 2008

Rechtsextremismus ist heute vielerorts in Nordrhein-Westfalen kein Randphänomen mehr. Wahlerfolge rechtsextremer Parteien bei Kommunal- und Landtagswahlen und die Akzeptanz rassistischen Gedankenguts in weiten Teilen der Bevölkerung machen dies deutlich. Besonders Jugendliche geraten immer mehr ins Blickfeld rechtsextremer Gruppen und Parteien. Mit scheinbar unpolitischen Angeboten in Sportvereinen oder auf Straßenfesten, rechten Schülerzeitungen oder Rockmusik wird die menschenverachtende Ideologie modern verpackt an die Jugendlichen herangetragen, um sie so für die Szene zu gewinnen.

Um Schüler über die Gefahren von Rechtsextremismus für Demokratie und Menschenrechte zu informieren und sie zum Engagement gegen Rassismus und fremdenfeindliche Gewalt zu motivieren, hat das Forum Jugend und Politik der Friedrich-Ebert-Stiftung nun eine neue Ausstellung entwickelt. "Demokratie stärken - Rechtsextremismus bekämpfen. NRW für Toleranz und Menschlichkeit" heißt die Schau, zu deren Einweihung Mitte April rund 90 Schülerinnen und Schüler aus Bonn und Umgebung in die Stiftung eingeladen wurden. Auch der Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten in NRW kam zur Ausstellungseröffnung in die frühere Bundeshauptstadt. Als eine Initiative, die sich sowohl als historisch-politische Bildungseinrichtung als auch entschiedener Streiter gegen Ausgrenzung, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit sowie für ein tolerantes gesellschaftliches Klima versteht, stellten sich die Vertreter des Arbeitskreises den Jugendlichen vor.

Für die vier Schulklassen der Jahrgangsstufen 9 und 12 begann der Tag in der Friedrich-Ebert-Stiftung mit einem Rundgang durch die neue Ausstellung. Im Gespräch mit den Jugendlichen erläuterten Studenten die 15 bebilderten Tafeln, mit denen die Schau über die verschiedenen Facetten des Rechtsextremismus aufklärt. Schwerpunkt der Ausstellung sind die Entwicklungen in NRW. So erfuhren die Schüler, dass fremdenfeindliche Einstellungen nicht nur - wie häufig vermutet - in den neuen Bundesländern weit verbreitet sind, sondern auch im Westen Deutschlands auf Resonanz stoßen. Die Ausstellung macht sich daher auf die Suche nach den Gründen für die Verbreitung dieser rechtsextremen Ansichten und Weltbilder und zeigt, wie sie sich im Alltag und im Extremfall in gewalttätigen Straftaten äußern können. Gleichzeitig will die Schau aber auch zur Zivilcourage ermuntern. Schon Schüler können sich dafür einsetzen, dass rechte Parolen und Übergriffe nicht zur Normalität werden.

Nach dem Ausstellungsrundgang ging es für die Jugendlichen mit einer Filmvorführung weiter. Die Dokumentation "Der Feind im Haus - Wenn aus Kindern Nazis werden", 2005 mit dem "Medienpreis CIVIS für Integration und kulturelle Vielfalt" ausgezeichnet, erzählt die Lebenswege zweier Jugendlicher und ihrer Familien. Robin ist 15 Jahre alt und gerade in die rechte Szene eingetaucht. David ist 21 Jahre und hat den Ausstieg geschafft. Beide Beispiele zeigen, wie leicht sich Jugendliche von rechten Gruppen einfangen lassen und wie schwer es für sie wird, diesen wieder zu entkommen. Die Eltern sind zumeist mit der Situation überfordert und am Ende helfen oft nur noch drastische Maßnahmen. So begriff David erst nach einem heftigen Zusammenstoß mit seinem Vater, wie er sich verändert hatte. Robins Mutter wusste nach endlosen Diskussionen keinen anderen Ausweg mehr, als ihren Sohn in ein Jugendheim zu schicken.

Wie man schon früh auf Vereinnahmungsversuche rechtsextremer Gruppen aufmerksam werden, sich davor schützen und dagegen vorgehen kann, erfuhren die Schüler auf dem anschließenden "Markt der Möglichkeiten". Hier stellten sich Initiativen und Projekte gegen Rassismus und Gewalt den Jugendlichen vor und informierten über ihre Arbeit. Auch der Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten in NRW war mit einem Stand vertreten. Die Gedenkstätten verstehen sich heute nicht nur als Erinnerungsorte und Forschungseinrichtungen. Indem sie ihre Besucher über die grausamen Folgen der nationalsozialistischen Diktatur, die bis zum Völkermord reichten, aufklären, sprechen sie sich gleichzeitig deutlich gegen eine Wiederholung der Ereignisse in der Gegenwart aus. Mit Hintergrundwissen liefern sie Argumentationshilfen gegen rechte Propaganda in ihrer heutigen Ausprägung und engagieren sich in eigenen Projekten und der Bildungsarbeit für die Stärkung der demokratischen Ordnung in Deutschland. Was das konkret bedeutet, konnten die angereisten Vertreter des Arbeitskreises den Schülern vor Ort erklären. So war mit Hans-Peter Killguss von der neu eingerichteten "Informations- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus" beim NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln ein Experte zum Thema des Tages anwesend. Verena Effgen, Jugendreferentin beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (VDK), berichtete den Jugendlichen von den Workcamps und Jugendbegegnungsstätten des VDK im In- und Ausland. Hier treffen sich jährlich über 12.000 junge Menschen aus verschiedenen Ländern, um sich gegenseitig kennen zu lernen, gemeinsame Freizeit zu erleben, auf Kriegsgräber- und Gedenkstätten zu arbeiten und sich mit der deutschen und europäischen Geschichte auseinander zu setzen.

Ebenfalls beim "Markt der Möglichkeiten" vertreten waren neben dem Arbeitskreis das Dürener Bündnis gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt sowie die Initiative Düsseldorfer Appell. Beide lokale Projekte sind aus der Zusammenarbeit verschiedener Bürgerinitiativen entstanden und kooperieren eng mit Kirchen, Gewerkschaften, Jugendverbänden und anderen gesellschaftlichen Gruppen. Während sich das Dürener Bündnis vor zwei Jahren als Reaktion auf die Gründung eines NPD-Kreisverbandes konstituierte, existiert der Düsseldorfer Appell bereits seit 1991. Mit vielfältigen Aktionen engagieren sich beide Projekte in ihren Städten für ein friedliches Zusammenleben der Menschen egal welcher Herkunft, stellen Öffentlichkeit bei fremdenfeindlichen Übergriffen her, suchen in der Jugendarbeit den Dialog mit Kindern und Jugendlichen und leisten mit Bildungsangeboten wichtige Aufklärungsarbeit (Internetangebote der beiden Initiativen: www.duerener-buendnis.de und www.jugendring-duesseldorf.de).

Nach einer kurzen Mittagspause konnten die Schülerinnen und Schüler je nach Interesse an einem von drei zur Auswahl stehenden Workshops teilnehmen. Christoph Busch, Autor der Ausstellung "Demokratie stärken - Rechtsextremismus bekämpfen", stellte in seiner Arbeitsrunde das Thema "Rechtsextremismus vor unserer Haustür" vor. Fremdenfeindliche Übergriffe, rechtsextreme Parteien, die in Fußgängerzonen auf Stimmenfang gehen, rechte Schülerzeitungen, die auf Kölner Schulhöfen verteilt werden oder Internetvertriebe, die rechte Szenekleidung, CDs und Fanartikel an ihre Kundschaft verkaufen - die Erscheinungsformen rechter Angebote in NRW sind vielfältig und haben in den letzen Jahren deutlich zugenommen. Zusammen mit den Teilnehmern diskutierte Busch die Aktivitäten der rechtsextremen Gruppen und ließ die Jugendlichen anschließend eigene Strategien und Maßnahmen gegen deren Programme entwickeln.

Den Workshop "Erlebniswelt Rechtsextremismus" leitete Dr. Thomas Pfeiffer vom Verfassungsschutz in NRW. Immer öfter werden Jugendliche über eher unpolitische Angebote in Sportclubs oder auf Straßenfesten von jugendlichen Szeneanhängern angesprochen und mit dem Erlebnischarakter der rechten Jugendszene geworben. Uniforme Kleidung, Geheimcodes, einschlägige Symbolik, die Zugehörigkeit zur Gruppe symbolisieren, sowie Musik- und Webangebote und Events wie Straßenfeste und Demonstrationen, ziehen besonders junge Menschen an. Mit diesen Aktivitäten sollen jedoch nur die rassistischen Ideologien modern verpackt an die Jugendlichen herangetragen und diese für die rechte Szene gewonnen werden. Thomas Pfeiffer ging diesem Phänomen mit seiner Arbeitsgruppe auf den Grund und warf einen Blick hinter die Fassade der "Erlebniswelt Rechtsextremismus".

Wie die Jugendlichen "Rassismus und Vorurteilen im Alltag begegnen" können, vermittelte der Argumentationstrainer Bernd Blümmert im dritten Workshop des Nachmittags. Wer hat nicht schon einmal erlebt, wie die Nachbarin sich über "schmarotzende und kriminelle Asylanten" erregt oder der Onkel beim Familienfest über Ausländer, die den Deutschen die Jobs wegnehmen, schimpft. Und wer hat nicht auch erfahren, wie schwierig es ist, solchen ausländerfeindlichen, diskriminierenden Parolen etwas entgegenzusetzen? In Rollenspielen lernten die Schüler deshalb Strategien wie das "aktive Zuhören" kennen. Dabei wird versucht, auf den Gegenüber, der mit rassistischen Sprüchen um sich wirft, mit ruhiger Stimme einzugehen und das Gesprächsthema mit den bekannten W-Fragen (Wer? Wann? Wieso? usw.) auf eine sachliche Basis zu bringen. So können die oft plumpen Stammtischargumente leicht entkräftet und der Gesprächspartner zum Nachdenken gebracht werden.

Zum Abschluss des Tages in der Friedrich-Ebert-Stiftung trafen alle Schüler in einer letzten Gesprächsrunde mit den Experten aus den Workshops und den Initiativen gegen Rechts zusammen. Dort stellten sie noch einmal ihre Ergebnisse aus den voran gegangenen Arbeitsgruppen vor und konnte letzte Fragen an die Experten richten. Als Vertreterin des Arbeitskreises nahm Astrid Mehmel, Leiterin der Gedenkstätte Bonn an der Diskussion teil. Viel gefragter Ansprechpartner war ebenfalls Thomas Kutschaty, Abgeordneter der SPD im nordrhein-westfälischen Landtag. Von ihm wollten die Schüler wissen, welche konkreten Maßnahmen die Politik gegen rechtsextremistische Gewalttaten durchsetzen kann und warum Parteien wie die rechtsextreme NPD nur schwer zu verbieten sind.

Im Mittelpunkt der Schlussrunde standen jedoch die Erfahrungen einer Schülerin, die aus einer iranischen Familie stammt, aber schon seit frühster Kindheit in Deutschland lebt. Sie erzählte, wie sie wiederholt von einem ihrer Lehrer vor der gesamten Klasse mit Vorurteilen über ihre Herkunft in Verlegenheit gebracht wurde. Aktive Unterstützung durch ihre Mitschüler erhielt sie kaum. Auch als sie sich bei ihrem Vertrauenslehrer über den betreffenden Lehrer beschwerte, wurde dieser nicht zur Verantwortung gezogen.

Gerade dieses Beispiel am Ende des Tages zeigt die Bedeutung der Veranstaltung in der Friedrich-Ebert-Stiftung: Couragiertes Auftreten gegen versteckten oder offenen Rassismus ist unersetzlich für ein tolerantes gesellschaftliches Zusammenleben. Doch zunächst müssen Rassismus und andere rechtsextreme Parolen auch als solche erkannt und eingeordnet werden. Junge Generationen dafür sensibel und aufmerksam zu machen ist das Ziel von Angeboten wie der neuen Ausstellung "Demokratie stärken - Rechtsextremismus bekämpfen".

Sowohl die Teilnehmer als auch die Organisatoren zogen eine positive Bilanz des Veranstaltungstages. Die rege Teilnahme der Schülerinnen und Schüler an den Diskussionsrunden lässt hoffen, dass sie sich auch im Alltag gegen Rechtsextremismus aussprechen und nicht nur tatenlose Zuschauer sein werden.

Die Ausstellung "Demokratie stärken - Rechtsextremismus bekämpfen. NRW für Toleranz und Menschlichkeit" kann ab dem 19. Mai 2008 von Schulen und Initiativen kostenlos beim Forum Jugend und Politik der Friedrich-Ebert-Stiftung ausgeliehen werden.

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