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"Das Rezept" - Eine emotionale Collage

Hans-Joachim Meyer begibt sich auf jüdische Spuren

Verfasst am 25. Oktober 2010

Das dünne, beinah quadratische Buch leuchtet in Ceolinblau, der Farbe, mit der sich jüdische „Krankenbehandler“ zur Zeit des Nationalsozialismus auf ihrem Praxisschild schon von Weitem haben kenntlich machen müssen. Von über 3000 praktizierenden jüdischen Ärzten durften nach dem Reichserlass vom 25.07.1938 allein 709 ihre Zulassung behalten, allerdings nur unter dem herablassenden Titel „Krankenbehandler“ ausschließlich jüdische Patienten empfangen. Unter ihnen war auch Dr. Alfred Wolf, der Protagonist des heimatkundlichen Werkes „Das Rezept“, das im vergangenen Jahr vom Hamborner Verlag veröffentlicht wurde.

Das im Januar 1940 von Dr. Alfred Wolf ausgestellte Rezept über einen Hustenblocker kam dem Autor durch Zufall in die Hände. Ein kleiner Zettel, ein winziges Detail ist es, das Hans-Joachim Meyer fasziniert und ihn dazu verleitet, tiefer in die Geschichte der jüdischen Ärzte zur Zeiten des Nationalsozialismus einzudringen. Und so begibt sich der Leser gemeinsam mit dem Autor auf eine Reise ins Ruhrgebiet der 1930er Jahre, streift die Geschichten der jüdischen Gemeinden in den Duisburger und Oberhausener Stadtteilen Hamborn und Holten. Und lässt sich von der kleinen Biographie des jüdischen Mitbürgers und Arztes Dr. Alfred Wolf und seiner Frau berühren, begleitet das Ehepaar bis zu ihrem letzten Lebenszeichen, in den Deportationszug zum Vernichtungslager Auschwitz. Das im Winter 1940 an Erich Lauter ausgestellte Rezept verbindet das Ehepaar Wolf auf schemenhafte Weise mit der einstigen Kaufmannsfamilie Lauter, mit der sie wenige Jahre später ein ähnlich grauenvolles Schicksal teilt.

Hans-Joachim Meyer stellt nicht den Anspruch, mit seiner Publikation eine ausführliche, wissenschaftliche Arbeit abzulegen, sondern möchte vielmehr die nationale Erinnerungslandschaft mit seiner emotionalen Collage bereichern. Die Abbildungen zahlreicher historischer Dokumente verbildlichen dem Leser ohne Pardon die unmenschliche Behandlung jüdischer Bürger zur Zeiten des Nationalsozialismus, sowie die mechanische Dokumentation eines unbegreiflichen Menschenhasses.

Mit seinem schlichten und doch persönlichen Schreibstil stellt Meyer den gesichtslosen, akribischen „Schreibtischtätern“ die berührenden Geschichten 3er Opfer des Nationalsozialismus gegenüber und ruft mit deutlichen Worten einen Teil deutscher Geschichte in Erinnerung, der nicht in Vergessenheit geraten darf.

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