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Comic-Workshop in der Gedenkstätte Wewelsburg am 7. November 2013
Über die pädagogische Eignung von Comics und ihre Funktion in der Erinnerungsarbeit wird nun bereits seit längerem diskutiert und es existiert mittlerweile eine Reihe von wissenschaftlichen Titeln zu diesem Thema.
Auch auf dem Internetportal des Arbeitskreises der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW erschien vor einigen Jahren ein Artikel, in dem der Einsatz von Comics in der Gedenkstättenarbeit thematisiert wurde: <link http: www.ns-gedenkstaetten.de arbeitskreis aktuelles detailseite holocaust-im-comic>
www.ns-gedenkstaetten.de/arbeitskreis/aktuelles/detailseite/holocaust-im-comic/183.html
.Trotz dieser bereits geleisteten Auseinandersetzungen mit dem Thema stellt Christine Gundermann 2007 in ihrem Buch „Jenseits von Asterix“, in dem sie sich mit dem Einsatz von Comics im Geschichtsunterricht beschäftigt, fest: „Der Comic kann […] auch heute noch als Medium gelten, über das ‚aufgeklärt‘ werden muss, wobei nicht die Kinder und Jugendlichen, sondern maßgeblich Pädagoginnen und Pädagogen und andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Informationen bedürfen“ (Gundermann, S. 6).
Auch die Auseinandersetzung mit Comics, die sich dem Thema Holocaust nähern, ist laut Martin Frenzel ungenügend. In der Debatte über das Genre des Holocaust-Comics gerate – nicht zuletzt aufgrund der starken Konzentration auf die, auch von Frenzel hochgelobte Graphic Novel Maus von Art Spiegelman – „völlig aus dem Blick, wie ungemein facetten- und variantenreich, wie umfassend das Genre der Shoah-Comics eigentlich ist. Man kann sogar feststellen: Das Genre des Holocaust-Comics ist hierzulande in der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend eine Terra Incognita, ein weißer Fleck auf der Landkarte der deutschsprachigen Comic-Kartographie“ (Frenzel, S. 206).
Frenzel spricht sich für einen vermehrten Einsatz von Comics in der politischen Bildung aus. Dabei ist es ihm vor allem wichtig, dass das hier verwendete Repertoire über die, bereits im pädagogischen Bereich häufiger verwendeten, Comics Maus und dem vom Anne-Frank-Haus in Amsterdam herausgegebene Band Die Suche hinaus erweitert wird. Dazu gehöre „wohl auch das Quäntchen Mut, unterrichtsdidaktisch, bildungspolitisch und medienpädagogisch neue Wege zu wagen“ (Frenzel, S. 278). Und auch laut Ralf Palandt, Comiczeichner und Mitglied der Gesellschaft für Comicforschung, „fehlt es den PraktikerInnen aus Pädagogik, Jugendarbeit und schulischer und außerschulischer politischer Bildung“ in diesem Bereich „offensichtlich an Ambitionen und Mut“ (Palandt, S. 43).
In dem Workshop auf der Wewelsburg, der in dieser Hinsicht möglicherweise ein wenig Abhilfe schaffen kann, soll nicht nur über den sinnvollen Einsatz von Comics in Schule und Gedenkstätten diskutiert werden, sondern unter anderem auch der Frage nachgegangen werden, ob und wenn ja, welche rassistischen, antisemitischen und sexistischen Bilder in Comics reproduziert werden.
Im Jahr 2010 fand eine internationale Tagung zum Thema „Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics“ statt, aus welcher 2011 ein gleichnamiger Tagungsband hervorging. Darin verweist der Herausgeber des Bandes, Ralf Palandt auf die Bedeutung die Comics im Bereich der politischen Bildungsarbeit einnehmen und auf die Wirkmächtigkeit, welche die Bilder in Comics und Graphic Novels entfalten können: „Dabei wird das Bild von der Welt in unseren Köpfen nicht nur durch die klassischen tagesaktuellen Massenmedien (Zeitung, Radio, Fernsehen) geprägt, sondern auch durch weitere Medien, auch durch Comics“ (Palandt, S. 6).
Das Medium Comic wird jedoch nicht nur als Hilfsmittel zur Aufklärung über die nationalsozialistische Diktatur und zur Erinnerung an die hier begangenen Verbrechen genutzt, sondern auch von anderer Seite instrumentalisiert und missbraucht.
So widerspricht Ralf Palandt der verbreiteten Annahme, in der rechten Szene existierten keine Comics, da diese als „undeutsch“ gewertet werden würden, indem er auf eine Vielzahl von Comics verweist (unter anderem auf ein zur Bundestagswahl 2009 von der NPD verteiltes Comicheft und verschiedene „Do-it-yourself-Magazine“ aus der Szene, sogenannte „Fanzines“), die unter anderem in Form von rassistischen und antisemitischen Feindbildern rechtsradikales Gedankengut verbreiten. Palandt erklärt: „Wer sich mit Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus auseinandersetzt, kommt an Comics nicht vorbei“ (Palandt, S. 9, S. 13, S. 6).
Ralf Palandt stellt jedoch fest, dass sich stereotype Darstellungen durchaus auch in Comics außerhalb der rechten Szene finden und nennt auch hierfür eine Reihe von Beispielen aus der Geschichte des Comics (Palandt, S. 23). Teilweise werden die Stereotypen und Klischees in den Darstellungen parodistisch zerstreut und ironisch gebrochen (Palandt, S. 24f.), so dass die Lektüre der Comics Wissen und Reflexionsfähigkeit der LeserInnen fordern und fördern können (Vgl. Gundermann, S. 81).
Auch Christine Gundermann weist in ihren Ausführungen auf die durch Vereinfachungen und Reduktionen entstehenden Stereotypen in Comics hin, die aufgrund der bildlichen Darstellung unbewusster auf Leserinnen und Leser wirken würden. Gundermann plädiert aus diesem Grund für eine Stärkung der medialen Methodenkompetenz (Gundermann, S. 64, S. 72).
Der Workshop in der Gedenkstätte Wewelsburg beginnt um 9.30 Uhr in den Seminarräumen im ehemaligen Wachgebäude.
Die Teilnahmegebühr für den Workshop beträgt 5 Euro.
Um eine telefonische Anmeldung unter 0 29 55/76 22-0 wird gebeten.
Literatur:
Gundermann, Christine: Jenseits von Asterix. Comics im Geschichtsunterricht, Schwalbach am Taunus 2007.
Palandt, Ralf (Hrsg.): Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics, Berlin 2011. Auf der Internetseite der Gesellschaft für Comicforschung finden sich einige Auszüge aus Besprechungen des Tagungsbandes: <link http: www.comicgesellschaft.de>
.Darin enthalten sind unter anderem:
Frenzel, Martin: Über Maus hinaus. Erfundene und biografische Erinnerung im Genre der Holocaust-Comics. Von Bernie Krigsteins Master Race bis zu Mikael Holmbergs 26. November. Eine international vergleichende Bestandsaufnahme, in: Ralf Palandt (Hrsg.): Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics, Berlin 2011, S. 206-283.
Ralf Palandt: Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics. Einleitung, in: ders. (Hrsg.): Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics, Berlin 2011, S. 5-58.

