Inhalt Seitenleiste

Braune Ordensburg mitten im Grünen

Umgang mit der NS-Vergangenheit im neuen Nationalpark Eifel: Arbeitskreis der Gedenkstätten diskutiert Überlegungen für einen "Lernort Vogelsang"

Verfasst am 05. März 2004

Dr. Alfons Kenkmann aus Münster, Professor für Didaktik der Geschichte an der Universität Leipzig, leitet auch künftig den Arbeitskreis der nordrhein-westfälischen NS-Gedenkstätten. Auf ihrer Mitgliederversammlung in Gelsenkirchen bestätigten ihn die Vertreterinnen und Vertreter der Einrichtungen einstimmig im Amt des ersten Vorsitzenden. Auch die beiden stellvertretenden Sprecher des Vorstandes - Dr. Werner Jung, Direktor des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln, und Dr. Ulrike Schrader, Leiterin der Begegnungsstätte Alte Synagoge in Wuppertal - wurden einstimmig wiedergewählt. Mit ihnen Kassiererin Karola Fings (ebenfalls NS-Dokumentationszentrum Köln) und Schriftführerin Kirsten John-Stucke, die für das Kreismuseum Wewelsburg in Büren tätig ist.

Zentrales Thema der Zusammenkunft war die Zukunft von "Vogelsang", einem riesigem Relikt aus der NS-Zeit im neu geschaffenen Nationalpark Eifel. Als Gebäudekomplex mitten im Grünen ist die einstige "Ordensburg" Zeugnis des braunen Rassenwahns. Angelegt wurde sie als Kaderschmiede für den "Führernachwuchs"; die Kasernen- und Sportanlagen sollten zur Ertüchtigung vermeintlicher "Herrenmenschen" dienen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte die Burg zum militärischen Sperrgebiet der belgischen Armee. Mit der Freigabe erbt nunmehr die öffentliche Hand zum Jahreswechsel 2005/06 das Gelände und damit eine enorme historische Hypothek - nicht nur in finanzieller Hinsicht.

Über den Umgang mit dem betonierten Stück Vergangenheit wird auf Bundes- und Landesebene zurzeit heftig debattiert. Der Ruf nach einem schnellen Abriss wurde ebenso laut wie die Forderung, den Gebäudekomplex gezielt verfallen zu lassen. Wobei die Gefahr, dass eine Art Wallfahrtsort für Ewiggestrige und Extremisten entsteht, damit keineswegs gebannt ist, wie regionalgeschichtlich interessierte Bürger im Kreis Euskirchen, Historiker und Politiker zu bedenken geben. NRW-Kultur- und Städtebauminister Dr. Michael Vesper hatte bei einem Symposium im Januar zunächst angeregt, die Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht" dauerhaft in der Eifel anzusiedeln, diesen Vorschlag jedoch nach Kritik aus den Reihen der Geschichtswissenschaft und auch aus den Gedenkstätten des Landes wieder verworfen.

Der Arbeitskreis plädierte in Gelsenkirchen mit Nachdruck dafür, dass der einstige Tatort "Vogelsang" zu einem lebendigen Lernort für die Zukunft wird. Inhaltlich gelte es, gleichermaßen Architektur und Menschenbild der NS-Funktionseliten, das sich in dem Bauwerk und in seinem Umfeld spiegele, zu demaskieren und in einen historischen Gesamtzusammenhang zu Indoktrination und Erziehung unter dem Hakenkreuz zu stellen.

Über den wissenschaftlichen Beirat für die Konversion, der Pläne für eine mögliche Nutzung von "Vogelsang" prüft und Leitlinien einer Ausstellungskonzeption erarbeitet, wird Alfons Kenkmann didaktische Erfahrungen aus Münster mit einbringen. Als Wissenschaftler leitete er bis zu seinem Ruf an die Universität Leipzig im Oktober 2003 den städtischen Geschichtsort Villa ten Hompel. In der repräsentativen Fabrikantenresidenz waren während der Kriegsjahre Schreibtischtäter und Polizeikräfte am Werk, um Deportationseinsätze, Besatzungsherrschaft und Mordaktionen hinter den Kriegsfronten bürokratisch vorzubereiten.

Als stellvertretendes Mitglied wird Dr. Werner Jung dem Beirat angehören. Der Direktor des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln vertritt die bekannte rheinische Gedenkstätte, die 1981 im EL-DE-Haus, dem ehemaligen Gestapo-Gefängnis am Appellhofplatz in der Innenstadt, eingerichtet und 1997 erweitert worden war

zurück