Inhalt Seitenleiste

Anstoß in der Bundesliga - Abpfiff für Intoleranz und Fremdenhass

"Geschichtsbewusstsein" ist auch im nordrhein-westfälischen Fußball kein Fremdwort

Verfasst am 07. August 2009

Toleranz und Zivilcourage sind erlernbar, intensive Auseinandersetzungen mit der NS-Diktatur auch in der Bundesliga möglich: Ausgerechnet der Spitzenclub aus Nordrhein-Westfalen, der im journalistischen Sommerloch plötzlich wegen eines mehr schlecht als recht gereimten "Mohammed"-Verses in seiner Traditionshymne öffentlich attackiert worden war, gilt unter Historikern als ein Vorbild, was die Ausleuchtung der dunklen Phasen seiner Vereinsgeschichte angeht.

Eng kooperierte der FC Schalke 04 schon vor Jahren mit dem Institut für Stadtgeschichte (ISG), zu dem die Dokumentationsstätte "Gelsenkirchen im Nationalsozialismus" in Buer gehört, um beispielsweise die Rolle so genannter "Arisierungs-Profiteure" in Kader und Vorstand zwischen 1933 und 1945 genauer zu erforschen und selbstkritisch ein Zeichen gegen falsche Geschichtsvergessenheit zu setzen. "Zwischen Blau und Weiß liegt Grau", lautet der Titel der einschlägigen wissenschaftlichen Studie von Prof. Dr. Stefan Goch (ISG), die ins Sortiment des Fanshops aufgenommen wurde. Viele Traditionen "Auf Schalke" seien in der Gründungsphase, zudem von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart hinein auch immer Ausdruck für Offenheit gegenüber Migranten, Minderheiten oder anderen Meinungen geworden. Dafür stehe der Umgang mit der braunen Vereinsgeschichte als ein Beispiel, betonen Fairplay-Fans vor Ort.

Auf breites Unverständnis stießen in weiten Landesteilen von NRW die jüngsten Proteststürme aus der Türkei und aus Online-Netzwerken gegen das Schalker Vereinslied. Textauszug aus dessen dritter Strophe: "Mohammed war ein Prophet, der vom Fußballspielen nichts versteht". In diesem Spaßreim sei aus seiner Sicht keine antiislamischen Tendenzen zu erkennen, äußerte der Essener Weihbischof Franz Vorrath. Cem Özdemir, Bundesvorsitzender der Grünen, wandte sich energisch dagegen, die aktuell geäußerte Kritik "überzubewerten". Hass-E-Mails und Vorwürfe gegen diesen Teil der Fankultur seien "hoffentlich nur die Taten einiger Verrückter", unterstrich der Politiker. Der leitende Redakteur des Zentralinstituts Islam-Archiv Deutschland in Soest, M. Salim Abdullah, stufte die öffentliche Empörung einiger Muslime als eine "Humorlosigkeit" ein, die "zum Himmel" stinke. Das Lied sei keinerlei Beleidigung. Vielmehr handele es sich bei dem Protest um eine "dumme Kampagne", zitierte der Deutschlandfunk heute M. Salim Abdullah.

Dass Hass, platte Parolen, aber vor allem Islamophobie, Rechtsextremismus oder Antisemitismus auch nach dem heutigen Start in die neue Saison keinen Platz auf dem Platz und auf den Tribünen haben, ist ein zentrales Anliegen aller bedeutenden Vereine, insbesondere der Erst- und Zweitligisten an Rhein, Ruhr, Emscher, Lippe und Weser. Probleme mit verbalen Entgleisungen bei Spielen und mit extremistischen Gruppen sollen nicht tabuisiert oder schöngeredet, sondern durch Prävention in innovativen Fanprojekten offensiv angegangen werden - in enger Kooperation mit Polizei, Kommunen, Jugendhilfe, Schulen, Betrieben, Kirchen, Gewerkschaften und auch mit dem Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten in Nordrhein-Westfalen.

Noch vor Saisonstart erklärte sich die königsblaue Geschäftsstelle mit Humor und Geduld bereit, als Ausdruck eines offenen Miteinanders verschiedener Fankulturen auch schwarz-gelbe Traditionsfarben des Dortmunder BVB 09 für ein Foto auf der Ehrentribüne der Arena zuzulassen - denn das "Nein" aller Anständigen im Fußball zu Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung ist eindeutig und kennt auch keine der sonst gern gehegten und gepflegten Revier-Rivalitäten.

Symbolisch tauschen auf dem Bild der Onlineredaktion für www.ns-gedenkstaetten.de zum heutigen Bundesligastart Klaus Brenken, Philipp Erdmann und Stefan Querl vom Geschichtsort Villa ten Hompel in Münster und Heiko Schreckenberg vom dortigen Team www.mobim.info ihre Schals.

zurück