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"Medizin ohne Menschlichkeit"

Eugenik, ‚Euthanasie‘, vertuschte Verbrechen und offener Protest

Verfasst am 28. Januar 2005

Auch nach über einem halben Jahrhundert gehört der Krankenmord an hilfsbedürftigen und wehrlosen Patienten noch immer zu denjenigen Kapiteln der NS-Geschichte, denen sich das menschliche Erinnerungs- und Vorstellungsvermögen nur schwerlich zu nähern vermag. Neben dem Holocaust an den europäischen Juden und den Massenmordaktionen hinter den osteuropäischen Kriegsfronten, an denen u.a. die Ordnungspolizei im großen Stil beteiligt war, steht dieses politische Großverbrechen wie kein anderes für das Ende der Humanität in der Zeit des Nationalsozialismus.

In nicht einmal zwei Jahren, zwischen Januar 1940 und August 1941, wurden in Deutschland über 70.000 psychisch kranke und geistig behinderte Menschen ermordet. An sechs Orten in Deutschland wurden hierfür mit Vergasungsanlagen und Krematorien ausgestattete Tötungsanstalten errichtet. Einer dieser Orte - geographisch zwar nur 60 Kilometer von der Landeshauptstadt Stuttgart entfernt, aber aus dem Bewusstsein der Menschen nahezu verschwunden - ist das Schloss Grafeneck (Gemeinde Gomadingen) bei Münsingen auf der Schwäbischen Alb.

Dort wurden 1940 von Januar bis Dezember 10.654 Menschen ermordet, die aus über 40 Heil- und Pflegeanstalten und aus einer nahezu unabsehbaren Zahl von Gemeinden im damaligen Deutschen Reich und aus besetzten Gebieten stammten - übrigens auch aus der preußischen Provinz Westfalen und aus dem Rheinland. Wurden doch allein fast 500 Menschen aus der Heil- und Pflegeanstalt im niederrheinischen Bedburg-Hau nach Grafeneck transportiert und dort ermordet.

Stadt und Bistum Münster erinnern gemeinsam mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe an diese Opfer der verschleierten Behinderten- und Krankenmordaktionen unter dem NS-Gewaltregime, aber auch an die zwangssterilisierten Frauen und Männer, die seit 1934 die Leidtragenden einer allgemein bekannten 'Rassenhygiene'-Politik in Deutschland waren. Das Schicksal einiger Zwangssterilisierter aus Westfalen ist übrigens mit der Geschichte der Villa ten Hompel verknüpft, denn sie gehörten in der Nachkriegszeit zu den Menschen, deren Anträge das Dezernat für Wiedergutmachung im Hause zu bearbeiten, allerdings in aller Regel abschlägig zu bescheiden hatte. Die Gesetzgebung der Adenauer-Zeit sah keine Entschädigung für Zwangssterilisierte vor. Erst in den 1980er Jahren wurde Menschen aus dieser Opfergruppe von der Bundesregierung eine so genannte "Einmalzahlung" zugestanden.

Die Wanderausstellung der NS-Gedenkstätte Grafeneck zur Eugenik und zu den 'Euthanasie'-Verbrechen ist von Mittwoch, 2. Februar, bis Sonntag, 13. März 2005, im Geschichtsort Villa ten Hompel zu sehen.

Öffnungszeiten:

mittwochs 18 bis 22 Uhr,

donnerstags und freitags jeweils 12 bis 16 Uhr

sowie an Sonntagen von 12 bis 18 Uhr

Der Eintritt ist frei. Das Ausstellungsprojekt ist eingebettet in das Veranstaltungsprogramm zum 1200-jährigen Bestehen des katholischen Bistums Münster.

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Begleitend zur Wanderausstellung finden an mehreren Abenden Veranstaltungen statt:

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Mittwochsgespräch zur Eröffnung der Ausstellung am Mittwoch, 2. Februar 2005, 20 Uhr, Villa ten Hompel:

Dr. Uwe Kaminsky, Berlin:

Dienationalsozialistische ‚Euthanasie‘ – Improvisation statt Ideologie.

Eintritt frei. Voranmeldungen sind nicht erforderlich. Die Ausstellung ist von 18 bis 22 Uhr geöffnet.

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Forum am Donnerstag, 17. Februar 2005, 18.30 bis 21 Uhr:

Thomas Stöckle M.A., Gomadingen:

Krankenmord in Grafeneck 1940. Geschichte – Protest – Erinnerung.

Veranstaltungsort ist die Akademie Franz Hitze Haus, Kardinal-von-Galen-Ring 50. Zur Pause werden Getränke und ein Imbiss angeboten. Teilnahme nur nach Anmeldung (Forum Nr. 507 F) gegen Kostenbeitrag: Tel. 0251/9818-0

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Am Dienstag, 22. Februar 2005, 16 Uhr, Villa ten Hompel:

Weihbischof Dr. Josef Voß diskutiert mit Schülerinnen und Schülern über „Vergangenheit und Verantwortung“.

Jugendliche berichten von einer Gedenkstättenfahrt nach Pirna-Sonnenstein (Koord.: Jörg Simonsmeier).

Klassen/Kurse u.a. größere Gruppen, die teilnehmen wollen, bitte vorher anmelden: Tel. 0251/492-7107. Danke.

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Mittwochsgespräch am Mittwoch, 2. März 2005, 20 Uhr, Villa ten Hompel:

Dr. Winfried Süß, München:

Die Grenzen der Diktatur

Bischof von Galen und der katholische Protest gegen die nationalsozialistische ‚Euthanasie‘.

Eintritt frei. Voranmeldungen sind nicht erforderlich. Die Ausstellung ist von 18 bis 22 Uhr geöffnet.

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Vorführung und Diskussion am Montag, 7. März 2005, um 19 Uhr im Cinema in Münster, Warendorfer Straße 45.

Filmpremiere:

Der Fall Paul Brune

NS-Psychiatrie und ihre Folgen.

In Kooperation mit dem Westf. Landesmedienzentrum. Eintritt frei.

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Pädagogische Angebote für Klassen, Kurse, AGs und Projektgruppen

Während der Ausstellungsphase werden in der Villa ten Hompel Sonderführungen sowie historisch-ethische Projektseminare für interessierte Lerngruppen ab Jahrgangsstufe 9 angeboten. Näheres zu Schwerpunkten, Dauer und Kostenrahmen auf Anfrage. Direktkontakt per Mail: ausstellung.grafeneck@muenster.de oder per Tel.: 0251/492-7107.

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