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Der Geschichtsort Villa ten Hompel: "Mehr als ein gewöhnliches Museum"

Zwei Teilnehmerinnen berichten von ihrer Exkursion mit der Klasse 9a des Graf-Adolf-Gymnasiums Tecklenburg.

Verfasst am 23. August 2013

Der heutige Geschichtsort Villa ten Hompel ist mehr als ein gewöhnliches Museum. Früher eine Fabrikantenvilla, dann Sitz der Ordnungspolizei im Nationalsozialismus und schließlich Bürohaus für ein „Dezernat für Wiedergutmachung“ im Nachkriegsdeutschland. Man lernt dort mittlerweile interessanten und tollen Geschichtsstoff in einer spannenden Art und Weise kennen, doch erst der Reihe nach: Als wir morgens an der Villa ankamen, wurden wir herzlichst von Stefan Querl, dem stellvertretenden Leiter des Hauses, begrüßt. Die Stimmung lockerte sich auf und wir durften das Obergeschoss erkunden, uns dort hinsetzen und essen und trinken. Als Einstieg wurde für uns eine Foto-Präsentation vorbereitet. Die Teamerinnen und Teamer stellten sich uns einzeln vor. Wir erfuhren, dass die wunderschöne Villa zwischen 1924 und 1928 vom Industriellen und Zentrumsabgeordneten Rudolf ten Hompel erbaut worden war, dann aber in der Folge der Weltwirtschaftskrise und mit Beginn der NS-Diktatur in Reichsbesitz überging. 1940 residierten ein so genannter „Befehlshaber der Ordnungspolizei“ im Wehrkreis IV in der Villa ten Hompel. Um diese Zeit und die Phase von Krieg und Holocaust zu erforschen, wurde 1999 im Hause eine Forschungs-, Erinnerungs- und Bildungsstätte eröffnet.

Trotz dieser wechselvollen, teils bedrohlich klingenden Geschichte hat die Villa eine warme, behutsame und interessante Art an sich. Die riesigen Räume und früheren Salons fanden wir wunderschön. Die Eindrücke, die man dort bekam, waren unglaublich. Bevor wir gemeinsam einen Rundgang durch das Gebäude starteten, teilten wir uns in Gruppen auf. Wir bekamen „Punkte“ zum Aufkleben. Diese Punkte hatten einen besonderen Sinn: Man sollte, in anonymer Weise, auf Zettel Punkte kleben – nämlich immer dann, wenn man bestimmten Aussagen zustimmte. Dort waren Aussagen und problematische Parolen wie „Ich bin stolz auf mein Heimatland“, „Ausländer nehmen den Deutschen die Arbeitsplätze weg“ oder „ Seien wir mal ehrlich: In der NS-Zeit wäre ich vielleicht sogar selber zum Täter geworden“. Man klebte jeweils drei Punkte auf, wenn man diesen Ansichten stark zustimmte. Den Aussagen, denen man nicht zustimmte, fügte man auch keine Klebepunkte hinzu. Also gingen wir allein, einzeln nacheinander, durch diesen „Demokratiedschungel“, eine Art Dickicht von Sätzen. Man konnte sich in den Räumen mit den Zetteln alleine umschauen und die Punkte verteilen. Doch in einem Raum war es anders. Man sah einen Zettel, auf dem stand: „Alle, die ein weißes T-Shirt tragen, sofort Schuhe ausziehen!“ und daneben stand eine Box. Man dachte nicht lange nach und tat dies befehlsgemäß. „Aber wieso? Das war uns noch unklar und suspekt. Diejenigen mit den weißen T-Shirts kamen in einen separaten Raum. Dort nahmen zwei Teamer Platz. Schon beim Öffnen der Tür wurden die Beiden zornig. Man solle gefälligst anklopfen und sich setzen, schimpften sie los. Die Stimmung war plötzlich angespannt, ganz anders als morgens bei der Ankunft. Man wusste nicht recht, wie man sich verhalten sollte, da alle doch vorher so nett gewesen waren. Im Folgenden wurde man unterschiedlich behandelt – die mit den weißen T-Shirts anders als die mit andersfarbigen Kleidungsstücken. Es wurde gesagt, man solle Handschuhe anziehen und einen Zettel unterschreiben, auf dem ganz gemein geschrieben stand: „Ich unterwerfe mich allen Hausregeln der Villa ten Hompel“. Wie die Regeln lauteten, erfuhr man nicht. Durch die düstere Atmosphäre taten einige aus der Klasse dies ohne Widerstand. Sie unterschreiben sozusagen blind. Nachgedacht hat man allerdings gar nicht – erst viel später.

Als wir den „Dschungel“ bewältigt hatten, trafen wir uns im Obergeschoss wieder. Die, die ein weißes T-Shirt trugen, sollten sich in einen Extra-Stuhlkreis hinsetzen. Die Teamer standen vor uns. Anstatt dass diese uns wieder einschüchterten, wurden alle laut und sagten ihre Meinung, wehrten sich nach Kräften gegen den unfreundlichen Kommandoton. Niemand hörte mehr den Teamern zu; wobei man vorhin doch noch so leise gewesen war und alles getan hatte, was das Duo sagte. Später wurden wir dann endlich aufgeklärt: Dies sei nur eine Art Stress-Test gewesen, ein „unsichtbares Theater“, wie die Teamer uns ausführlich erklärten. Sie zerrissen auch die Unterschriftenliste zu der Hausordnung. „Nie einfach etwas ungelesen unterschreiben“, warnten sie uns. Man sah zudem, dass man alleine viel schwächer war als in einer großen Gruppe, die ein Gemeinschaftsgefühl hat. Zusammen ist man stark, alleine lässt man sich viel schneller einschüchtern. Erst jetzt bemerkte man, wie unsinnig es gewesen war, die Schuhe auszuziehen oder zu unterschreiben. Spielerisch und vollkommen willkürlich wurden wir in eine sogenannte Randgruppe gesteckt: „Alle mit den weißen T-Shirts.“ Diese Erfahrung war ausgesprochen interessant, denn man merkte, wie schnell man sich in eine solche Situation hineinziehen und unter Druck setzen lässt. Diese Erfahrung bleibt bis jetzt noch in unseren Köpfen – zum Glück aber mit einem besseren Gefühl, denn auch die Teamer, die in ihrer Rolle unfreundlich gewesen waren, stellten sich hinterher als sympathisch heraus.

Nach diesem Ereignis sprachen wir über die Punkte und die Ergebnisse auf den Zetteln. Diese wurden ausgewertet und mit uns besprochen. Erschrocken waren wir alle, zu sehen, dass sehr viele Punkte auf dem Blatt mit der Überschrift „Seien wir man ehrlich: „In der NS-Zeit wäre ich vielleicht sogar selber zum Täter geworden“ hatten. Wir diskutierten dies anschließend in kleinen Gruppen.

Zum Abschluss hörten wir noch eine Aufnahme aus einem Interview mit einem alten, ehemaligen NS-Ordnungspolitzisten, der mit einem Historiker aus der der Villa ten Hompel, Herrn Martin Hölzl, 1997 gesprochen hatte. Martin hatte u.a. gefragt, ob er schon einmal als Polizist Juden umbringen musste. Er antwortete, dass er bei einer Exekution schießen musste, kämpfte im Interview aber plötzlich mit den Tränen und verwickelte sich in Widersprüche. Es ergab sich ein völlig anderes Bild als zu einem anderen Fall aus dem Warschauer Ghetto, in dem Polizisten brutal Jagd auf jüdische Kinder gemacht hatten, um Lebensmittelschmuggel zu unterbinden. Beide Beispiele aus Forschungsprojekten der Villa ten Hompel haben uns intensiv beschäftigt, zumal wir in einer Art Rollenspiel versucht hatten, aus der heutigen Sicht Recht zu sprechen und NS-Verbrechen aufzuklären. Keine leichte Aufgabe, stellten wir fest.

Der Tag in der Villa neigte sich zum Ende hin und wir haben viele neue Eindrücke aus der NS-Zeit bekommen; man kann sich nun besser mit dem Thema NS-Zeit auseinander setzen. Der Tag war sehr lehrreich und wir empfehlen diesen Ort auf jeden Fall weiter. Ein toller, überhaupt nicht langweiliger Projekttag, den man so schnell nicht vergessen wird. Man hat viel Neues gelernt und kann dies nun mit in den Unterricht einbeziehen. Die Villa ten Hompel ist ein spannendes Museum, das Geschichte interessant gestaltet, auch für Jung und Alt! Den Nachmittag verbrachten wir noch bis zum frühen Abend in der Innenstadt von Münster.


(Srna Ginschel / Sophie Spendlow (9a) GAG Tecklenburg unter Mitwirkung von Stefan Querl, Villa ten Hompel, Juli 2013)

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