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"Darüber kann man nicht einfach hinweggehen"

Eine Projektgruppe des Geschichtsortes Villa ten Hompel präsentierte das gelungene Ergebnis, alle 262 Stolpersteine Münsters in seine App mit informativen Funktionen integriert zu haben.

Verfasst am 28. September 2018

Die Einbindung der Stolpersteine Münsters in die App des Geschichtsortes Villa ten Hompel sei eine "Weiterführung", so Peter Schilling, Vorsitzender des Vereins "Spuren finden". Es besteht nun die Möglichkeit, via Smartphone überall und frei zugänglich auf Biogramme, Fotos und Dokumente der Verfolgten zurückzugreifen.

Grundlage dieser Zusammenarbeit bildeten die vom Verein "Spuren finden" verlegten Stolpersteine in Münster für die Verfolgten des Nationalsozialismus. Da diese Steine mit bewusst wenigen Informationen ausgestattet sind, kommt dem von Stolperstein-Paten erstellten Gedenkbuch eine wichtige Funktion zu. Es dokumentiert die Geschichte derer, für die der Nationalsozialismus keinen Platz mehr in der Gesellschaft hatte.

Auf Seiten des Geschichtsortes wurde die App zuvor bereits verwendet, um Besucher*innen weiterführende Informationen zur Ausstellung anbieten zu können. Ebenso wurden Themenwege entwickelt, die es dem Besucher ermöglichten, die Ausstellung mit unterschiedlich gelagerten Themenschwerpunkten zu erkunden.

Das Anliegen des Vereins "Spuren finden" ist es, durch die mobile Bereitstellung der Inhalte, die jüngeren Generationen zu erreichen.  Der Besuch des Geschichtsortes wird nicht mehr vorausgesetzt, um an Informationen über die Verfolgten zu gelangen. Interessierte Bürger können so auch im privaten Rahmen die Stolpersteine Münsters erkunden und sich nach eigenem Bestreben weiter informieren, sodass man eben nicht nur darüber hinweggeht. Wurden die Stolpersteine bisher nur zur Kenntnis genommen, kann nun mehr über die Schicksale erfahren werden, welches ein aktiveres Erinnern und Gedenken in Gang setzen soll. Selbst im Geschichtsunterricht in Schulen Münsters, so Peter Schilling, würde die App Verwendung finden, da Lehrkräfte zusätzlich auf die Funktionen eines Glossars zurückgreifen können, die den Schüler*innen das Lernen über den Nationalsozialismus und die Shoah erleichtere.

Aus geschichtsdidaktischer Perspektive komplettiert die Integration der Stolpersteine den multiperspektivischen Ansatz des Geschichtsortes Villa ten Hompel, welcher sich auch in der Mehrdimensionalität ihres Titels der Dauerausstellung "Geschichte, Gewalt, Gewissen" wiederspiegelt. Um den bundesdeutschen Narrativ des unschuldigen "Schreibtischtäters" entgegenzuwirken, zeigt die Ausstellung sehr konkret, welche verbrecherischen Auswirkungen vor Ort die Befehle an Ordnungspolizisten im Deutschen Reich und im besetzten Europa hatten. Die ausgeübte Gewalt zu verantworten spricht das Gewissen jedes einzelnen Täters an. Indem nun auch die Biographien der Verfolgten aus Münster in die App integriert wurden, wird den ungehörten Opfern im Nationalsozialismus ein weiteres Sprachrohr verliehen. Durch die Verzahnung der Aufarbeitung lässt sich nur noch schwer das Deutungsmuster aufrecht erhalten, man habe nicht gewusst, welch gravierende Auswirkungen die Arbeit am Schreibtisch gehabt habe. 

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