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Ausgrenzung historisch und heute: Wie Jugendliche aus Münster einem KZ-Gedenkort begegnen

Seit zehn Jahren organisieren Akademie Franz Hitze Haus und Geschichtsort Villa ten Hompel Exkursionen nach Bergen-Belsen und Buchenwald

Verfasst am 26. Januar 2009

„Hinsehen, Nachdenken, Sich Einmischen“ –diese Aufforderung steht als Titel über einem Seminarprojekt, das der Geschichtsort Villa ten Hompel jetzt in Zusammenarbeit mit der Katholisch-Sozialen Akademie Franz Hitze Haus durchgeführt hat. Partner ist traditionell die Bischöfliche Gesamtschule Friedensschule, die das Seminar bei den Kooperationspartnern bucht und gemeinsam mit ihnen ausgestaltet. Im Mittelpunkt dieses Projekts steht eine zweitägige Exkursion in die „Kulturhauptstadt“ Weimar und zur Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrations- und sowjetischen Speziallagers Buchenwald. Eingebettet ist die Fahrt in eine intensive Vor- und Nachbereitung – wie bei allen Projekten der Reihe, die unter dem Titel „Aus der Geschichte lernen?!“ vor zehn Jahren in Münster aus der Taufe gehoben wurde. Wer den Anstoß gab, welche außerschulischen und schulischen Partner zuerst die Kooperation schmiedeten, lässt sich kaum feststellen- beeindruckend ist allein schon das Engagement im großen Gedenkjahr 2009, das viele Gruppen ermutigt, KZ-Gedenkorte selbst zu erkunden. Bergen-Belsen steuern viele Seminarrunden aus Münster und Umgebung an, die Friedensschule wählt bewusst die Erinnerungsorte im heutigen Bundesland Thüringen.

Weimar haben die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Exkursion im Januar nicht nur als Stadt der deutschen Klassik und Ort der Nationalversammlung von 1918/19 kennen gelernt, sondern konnten auch die völkisch-nationalistische Vereinnahmung der „größten deutschen Dichter“ Goethe und Schiller nachvollziehen. Auf Interesse stieß auch der Umgang der Weimarer Bevölkerung als Bürger eine „normalen Stadt“ im NS-Deutschland mit einem Konzentrationslager in unmittelbare Nähe. Galt doch der Ettersberg, den Gauleitung und SS als Standort für das Lager wählten, als beliebtes Ausflugsziel – Goethe soll zu Lebzeiten dort Ruhe und Inspiration gefunden haben.

Bei dem Rundgang über das Gelände des Gedenkorts Buchenwald kamen auf der einen Seite die Zeit als Konzentrationslager und Ort des nationalsozialistischen Terrors und auf der anderen Seit die Phase als sowjetisches Internierungslager und der Umgang mit dieser Geschichte in der DDR zur Sprache. Wie unterschiedlich die Diktaturerfahrungen sind, wie schwer es zudem heute ist, die bittere Nachbarschaft von KZ-Greuel und Kulturstadt historisch korrekt zu kennzeichnen, diskutierten Kleingruppen bei der Begehung sehr intensiv.

Sowohl in der Vor- als auch Nachbereitung in Münster konnten die Seminarteilnehmer mit ihren Erwartungen oder Eindrücken der Gedenkstättenfahrt Gegenwartsbezüge herstellen und sich anhand von Fallbeispielen in Abstimmungen zu Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus heute positionieren. Gemeinsam wurden Diskriminierungsmechanismen aufgedeckt und Verhaltensweisen, diesen zu entgegnen, besprochen. Genauso haben die Jugendlichen über Fragen mit dem Umgang der eigenen Vergangenheit diskutiert. Dass es auch ihre Aufgabe sei, den Opfern der NS-Zeit zu gedenken, ist ein Ergebnis, zu welchem die Seminarteilnehmer im Laufe der Tage ohne Impulse von außen gekommen sind. Hier wird deutlich, dass die Gedenkstättenbegleitung durch die Villa ten Hompel und das Franz Hitze Haus alles andere als eine Klassenfahrt mit Stadtführungen sein soll – es handelt sich eben auch ausdrücklich um keine Schulveranstaltung. Bei allen Modulen, die während der Seminartage eingesetzt wurden, legten die Begleiter großen Wert auf Interaktivität und förderten auf diese Weise eigenständiges Engagement der Teilnehmer. So konnten diese sich am Vorbereitungstag mit Rollenspielen verschiedenen Opfer- Täter und Mitläufergruppen nähern, mit Gesprächen im Plenum ihr geschichtliches Hintergrundwissen erweitern und wussten ihre Erfahrungen im Verlauf des Seminars anzuwenden.

Am Ende des Nachbereitungstages waren schließlich nicht nur die Seminarteilnehmer einer Meinung, dass diese Kooperationsveranstaltung auch im nächsten Jahr wieder stattfinden solle.

In dem Zusammenhang steht auch eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Medienservice für Münster im LWL- Medienzentrum für Westfalen, dem Franz Hitze Haus, der Villa ten Hompel und der Paul-Gerhardt-Realschule. Ein von Teilnehmern eines anderen Seminars gedrehter Film über eine Gedenkstättenfahrt nach Bergen-Belsen soll im Rahmen des „Aus der Geschichte lernen?!“-Programms vorgestellt werden. Titel: „Zeitsprung. Jugendliche aus Münster auf den Spuren des KZ-Bergen-Belsen.“

Filmpräsentation am Donnerstag, 2. April, um 18 Uhr im Cinema, Warendorfer Str. 45. Eintritt und Platzwahl sind frei. Die vorherige Abholung einer Freikarte an der Kinokasse ist jedoch erforderlich.

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