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„Begabt zum glücklich sein“

Lesung von Marianne Brentzel in der alten Synagoge Drensteinfurt

Verfasst am 16. November 2010

Drensteinfurt - Knapp 20 Besucher waren am Dienstagabend zur Lesung von Marianne Brentzel aus der Biografie „Mir kann doch nichts geschehen“ in die ehemaligen Synagoge gekommen. In Gedenken an die Reichspogromnacht 1938 war dort am Sonntag eine Bücherausstellung eröffnet worden.

Im Rahmen dieser Erinnerung an „verfemte Autoren“ war Marianne Brentzel am Dienstag zu Gast. Das Buch „Mir kann doch nichts geschehen“ ist nach „Nesthäkchen kommt ins KZ“ die zweite Biografie der jüdischen Kinder- und Jugendbuchautorin Else Ury. Marianne Brentzel war selbst als Kind begeisterte Leserin der „Nesthäkchen-Bücher“ von Else Ury, doch erfuhr sie erst durch eine „Zeitzeichen“-Sendung im Jahr 1988 von deren Schicksal. Daraufhin machte sich Marianne Brentzel daran, das Leben der Autorin zu erforschen. Die erste Biografie erschien bereits im Jahr 1993.

Marianne Brentzel erzählt in „Mir kann doch nichts passieren“ von dem „behüteten kleinen Mädchen“, dass am 1. November 1877 in Berlin als Tochter eines Tabakfabrikanten zur Welt kam. Else Ury durchlebte eine schöne und durchaus jüdische Kindheit, die sie in ihren Büchern oft zum Vorschein brachte. Jedoch wurden in ihren Erzählungen nur „wenige Unterschiede zum christlichen Leben“ deutlich, wohl aber, dass nur wenige Freundschaften zwischen den Konfessionen Bestand hatten.

Else Ury veröffentlichte ihr erstes Buch im Jahr 1905, mit dem auch ihre Schriftsteller-Karriere sowie der große Erfolg begannen. Die ersten zwei Bücher der „Nesthäkchen- Reihe“ erschienen erst 1912. In ihren zahlreichen Büchern spiegeln sich die jüdischen Familientraditionen wieder. „Begabt zum glücklich sein, ließ sie Unglück einfach nicht an sich heran“, beschrieb Marianne Brentzel die erfolgreiche Autorin. „Jugend voraus“ war das letzte Werk, dass Else Ury herausgab. Am 6. März 1933 wurde ihr auf Grund ihrer Religion Schreibverbot erteilt. „Sie ging durch alle Stationen der Demütigung“, so Marianne Brentzel in ihrem Buch. Verhaftet wurde die damals 66-jährige Else Ury am 6. Januar 1943, sechs Tage später wurde sie nach Auschwitz deportiert. Dort wurde sie am 13. Januar 1943 mit zahlreichen anderen Juden in eine Gaskammer getrieben und ermordet. Als habe sie schon vor der Deportation mit ihrem Tod gerechnet, schrieb sie einige Zeit vorher ihr Testament.

Mit dieser Geschichte erinnerte Marianne Brentzel an die mittlerweile in die Brockhaus-Enzyklopädie aufgenommene Else Ury, die man heute wohl als eine Bestseller-Autorin bezeichnen würde.

Artikel: WN vom 11.11.10

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