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„Wegen Fahnenflucht zum Tode verurteilt" - Buchpräsentation zur Erschießung von Deserteuren in Wuppertal 1940-1945

In der Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal hat Florian Hans seine Forschungen zu Wehrmachts-Deserteuren im Zweiten Weltkrieg vorgestellt. Der Historiker befasst sich bereits seit 2014 mit den Schicksalen und der Identität der wegen Fahnenflucht hingerichteten Männer. Die Geschichte der 23 zwischen 1940 und 1945 in Wuppertal-Ronsdorf erschossenen Deserteure war auch Teil eines pädagogischen Projekts mit SchülerInnen der Erich-Fried-Gesamtschule aus Ronsdorf.

Verfasst am 05. April 2017

In seiner Buchpräsentation schilderte der Historiker Florian Hans seinen Forschungsprozess und erläuterte den von den Nationalsozialisten erfundenen Strafbestand der „Wehrkraftzersetzung“, der den zum Tode verurteilen Männern zu Last gelegt worden war. Bis zu einem halben Jahr saßen die meist jungen Männer nach ihrer Verurteilung in Haft und warteten auf die Vollstreckung ihres Todesurteils. Insgesamt waren 30 000 Todesurteile zwischen 1939 und 1945 von der Wehrmacht aufgrund von Fahnenflucht verhängt worden.

Hans hatte in der von der Begegnungsstätte Alte Synagoge herausgegebene Publikation auch den Lebenswegen und Beweggründen der Männer, die Wehrmacht zu verlassen oder sich vor der Einbeziehung zu verstecken, nachgeforscht. Während und nach dem Krieg als „Verräter“ diskreditiert, wandelte sich das Bild in den späteren Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in eine positive kollektive Wahrnehmung von Deserteuren. Nicht bei allen Fahnenflüchtigen handelt es sich jedoch um Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, wie es beispielsweise die Inschriften der Deserteur-Denkmäler in Erfurt oder Hamburg vermuten lassen. Bei den meisten der 23 Deserteuren, die in Wuppertal verurteilt und hingerichtet worden sind, standen vermutlich vor allem persönliche Motive im Vordergrund, das Militär zu verlassen. Wie Florian Hans herausfand, versteckten sich einige der Opfer auch vor der Einziehung zum Militär, um der Vollstreckung einer Strafe wegen eines anderen Delikts, beispielsweise eines angezeigten Diebstahls, zu entgehen. Die Dokumentation „Wegen Fahnenflucht zum Tode verurteilt“ versucht anhand von verschiedenen Verfahrensakten, Briefen und anderen Dokumente die Biografie der Männer und den Ablauf des Gerichtsverfahrens zu rekonstruieren.

Im Rahmen seiner Forschung hat Florian Hans nicht nur das Bundesmilitär-Archiv in Freiburg besucht und die Deutsche Dienstelle (WASt) für die Verwahrung und Auskunft der Mitglieder der ehemaligen Wehrmacht in Berlin kontaktiert, um Informationen über den Fall der 23 Deserteure zu erhalten. Auch vor Ort in Wuppertal suchte der Historiker nach Spuren der über siebzig Jahre zurückliegenden Exekution der Soldaten. Auf dem Gelände Erbschlö, wo heute die JVA steht, fand Hans das Überbleibsel des geziegelten Kugelfangs der ehemaligen Hinrichtungsstätte. Die 23 Opfer wurden an diesem Ort, einem früheren Truppenübungsplatz, erschossen, nachdem sie vom Wehrmachtsgericht in Wuppertal zum Tode verurteilt wurden.

Ein Anliegen aller Mitwirkenden des Forschungsprojektes, das von Ulrike Schrader, der Leiterin der Begegnungsstätte Alte Synagoge, initiiert wurde, ist, das Schicksal der Deserteure in Wuppertal mehr ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Ein neues Mahnmal, das im Stadtgarten aufgestellt werden soll, ist daher in Planung.

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