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Gedenkstätten als Archive? - Die Sammlungstätigkeit der Villa ten Hompel

Viele Gedenkstätten und Erinnerungsorte betreiben eigene historische Forschung und unterhalten zu diesem Zweck Archive und Sammlungen. Daraus kann die historische, pädagogische und museale Arbeit schöpfen. Beispielsweise fand unter dem Titel „Fundstücke aus dem Dritten Reich“ bis November 2016 eine Ausstellung in der Alten Synagoge Wuppertal statt. Auch für die Arbeit der Villa ten Hompel in Münster sind die Sammlungen eine wichtige Grundlage.

Verfasst am 30. November 2016

Der Bestand der Villa ten Hompel

In der Anfangsphase des Geschichtsorts Villa ten Hompel entstanden die archivarischen Sammlungen, die inzwischen zu einem Bestand von über tausend historischen Objekten, 500 Deposita (Dauerleihgaben), fast 200 Ergänzungsdokumentationen und zahlreichen Film- und Audiodokumenten angewachsen sind, welche auf 200 m² lagern. Auch den Nachlass des Bürgerrechtlers Paul Wulf beherbergt die Villa ten Hompel.

Teile der Sammlung befinden sich in Rollregalen und säurefreien Archivkartons unter besonderen klimatischen Bedingungen. Die Villa ten Hompel besitzt diese gute Ausstattung, da sie die Räume der ehemaligen Außenstelle des Münsteraner Stadtarchivs übernehmen konnte – ein großer Vorteil für die Lagerung der Bestände.


Aktuelle Aufgaben der Archivarbeit

Die Aufgabe der Digitalisierung erfordert finanzielle und personelle Mittel, welche Gedenkstätten und Erinnerungsorten oft nicht zur Verfügung stehen.

Ein Ziel der Archivierung ist auch die einheitliche Erfassung der verschiedenen Bestände.

Im Gegensatz zu institutionalisierten Archiven hat die Villa ten Hompel die Möglichkeit, mit größerer Freiheit ein breites Spektrum an Beständen aufzubauen.

Zur Verbesserung des Archivbereichs kooperiert die Villa ten Hompel in einem Pilotprojekt mit anderen Gedenkstätten – der Alten Synagoge in Petershagen, dem Dokumentationszentrums Stalag 326 Senne in Stukenbrock sowie der Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg.

Überlieferungsschwerpunkt und Überlieferungslücken

Während bestimmte Objekte in großer Zahl Eingang in die Sammlung der Villa finden, sind andere Ereignisse oder auch Perspektiven auf Geschichte nur wenig dokumentiert. Dies zeigt die Zeit von 1954 bis 1968 in der Hausgeschichte der Villa ten Hompel, als sich hier das sogenannte „Dezernat für Wiedergutmachung“ befand. Diese Zeit ist in Unterlagen zu Anträgen und deren Bearbeitung gut dokumentiert. Jedoch bietet der Verwaltungsakt, den sie darstellen, nur wenig Zugang für die Geschichten einzelner Menschen, die dahinter stehen. Es fehlen Dokumente, die über die administrative Dokumentation hinaus Eindrücke „von beiden Seiten des Schreibtisches“ liefern und den Umgang mit der NS-Vergangenheit im Umfeld der „Wiedergutmachung“ zeigen. Darüber hinaus lagern Verwaltungsdokumente dieser Art in der Regel im Landesarchiv.

Obwohl oder gerade weil die Hausgeschichte der Villa ten Hompel durch den Sitz der NS-Ordnungspolizei von 1940-1944 geprägt ist, ist es ein Anliegen, nicht nur Motive und Handlungsoptionen der NS-Täter_innen zu dokumentieren, sondern sich auch pädagogisch und historisch mit den Geschichten von NS-Verfolgten auseinanderzusetzen.

Hierfür geben Angehörige von NS-Verfolgten Objekte und Dokumente in die Hände der Villa ten Hompel.

Für die Sammlung ist der regionale Bezug besonders wichtig. Darum werden Dokumente und Objekte aus der Region Münster bei der Aufnahme bevorzugt.

Eine zentrale Frage der Arbeit mit archivierten Dokumenten und Objekten in der Villa ten Hompel ist ihre pädagogische Anwendbarkeit. So sind auch folgende Objekte, die die Facetten der Hausgeschichte der Villa ten Hompel porträtieren, Teil der Dauerausstellung.


Besondere Ausstellungsstücke

Der „Judenstern“

In einer Vitrine im zweiten Raum der Ausstellung begegnet den Besucher_innen der Villa ten Hompel der gelbe Stern mit der Aufschrift „Jude“, ab 1941 Zeichen öffentlicher Stigmatisierung der nach den Nürnberger Gesetzen als Juden ausgegrenzten Menschen. Ein Blick durch die Vitrine auf das Photo eines Ehepaares deutet auf die Geschichte der Trägerin dieses Sterns hin. Er gehörte Erna Meintrup, einer Münsteraner Jüdin, die mit einem nicht-jüdischen Mann verheiratet war. Durch die Ehe mit ihm konnte sie bis kurz vor Ende des Krieges der Deportation entgehen. 1945 wurde sie nach Theresienstadt deportiert. Während über neunzig Prozent der vor dem Krieg in Münster ansässigen Juden und Jüdinnen in der Shoah ermordet wurden, gehört Erna Meintrup zu den wenigen Überlebenden. Den gelben Stern überließ ihre Familie der Villa ten Hompel. Dies ist für die Betreuer_innen der Ausstellung eine Geste des Vertrauens.

Der Bierkrug

Der Krug, welcher einem aus Münster-Hiltrup stammenden Angehörigen einer SS-Polizei-Division gehörte, steht stellvertretend für die Auseinandersetzung mit NS-Täterschaft.

Eine vermutlich selbst angefertigte Skizze der Landkarte Osteuropas auf dem Krug zeigt den Marschweg der Division.  Unter anderem sind hier Leningrad, Puschkin und Luga eingezeichnet. Auf der Rückseite ist die Überschrift „Meine Kriegsorte“ vermerkt. Zahlreiche dieser Orte zeugen von Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung. „Souvenirs“ wie der Krug zeigen ein Muster wie ehemalige NS-Polizeiangehörigen mit Verbrechen umgehen.


Das Gemälde von Anatol Herzfeld

Das Bild mit dem Titel „Babi Yar“ zeigt einen NS-Ordnungpolizisten, erkennbar an seiner grünen Uniform, welcher einen Menschen erschießt. Im Hintergrund sind drei weitere Polizisten zu erkennen, von denen zwei ihre Augen auf den Mord wenden und der Dritte sich abwendet. Herzfeld war Verkehrspolizist in Düsseldorf und Beuys-Schüler und malte dieses Bild nach dem Besuch einer Ausstellung über NS-Polizeiverbrechen. „Babi Yar“ erinnert an die Ermordung von 33 000 jüdischen Menschen in der Schlucht Babi Yar bei Kiew im Herbst 1941. Der Villa ten Hompel ist es wichtig, dieses Gemälde in der Ausstellung zu zeigen, weil es verdeutlicht, wie ein Polizeibeamter der Nachkriegszeit NS-Polizeiverbrechen künstlerisch verarbeitet.

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