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Ein Krefelder Maler und der Nationalsozialismus: Heinrich Campendonk

Das Jahr 1937 muss das zwiespältigste in der Karriere des Krefelder Malers Heinrich Campendonk gewesen sein. Während er für seine Glasmalerei „Passionsfenster“, mit denen der 1934 emigrierte Künstler die Niederlande auf der Weltausstellung in Paris vertrat, internationale Anerkennung erhielt, wurden seine Werke in Deutschland geächtet und in der Ausstellung „Entartete Kunst“ in München präsentiert.

Verfasst am 14. Oktober 2016

Heinrich Campendonk zählte zu der jüngsten Generation der Künstlerinnen und Künstlern, die dem deutschen Expressionismus zugerechnet werden. Im Jahr 1889 in Krefeld geboren, absolvierte er in seiner Geburtsstadt eine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule bei Jan Thorn-Prikker und freundete sich mit Franz Marc und Wassily Kandinsky an, die der losen Künstlervereinigung „Der Blaue Reiter“ angehörten. Die geometrischen, expressiven Formen, starke Farben und Tierdarstellungen lassen den Einfluss der beiden Künstler auf  Campendonk  in seinem bildnerischen Werk erkennen. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen und Literatur wie Kunst zu instrumentalisieren oder zu bekämpfen versuchten, wurde auch Campendonks farbintensive Malerei als „entartet“ diffamiert. 

Die Nationalsozialisten bekämpften jedwede Art von Kunst, die sie nicht rational mit ihren völkischen Deutungsmustern fassen konnten und die ihnen als „undeutsch“ erschien. Im Jahr 1937 ließen sie einen großen Teil der Kunst der klassischen Moderne, der Expressionisten und anderer junger Avantgardekünstler wie des Dadaismus oder der Neuen Sachlichkeit aus deutschen Museen entfernen. Bereits seit 1933 hatte es Berufsverbote gegen Kunstschaffende und Museumsdirektoren gegeben. Als „unerbittlichen Säuberungskrieg“ gegen kulturzersetzende Elemente bezeichnete Adolf Hitler die radikale Kulturpolitik des NS-Regimes. Auch den Begriff  „entartet“ entlehnten die Nationalsozialisten ihrer Rassenideologie. Im Juli 1937 eröffnete die Ausstellung „Entartete Kunst“ in München, die eine Auswahl der beschlagnahmten Werke zeigte, um dem deutschen Volk die vermeintliche Fehlgeleitetheit, den Wahnsinn und den Dilettantismus der verfemten Künstlerinnen und Künstler zu zeigen. Als Gegenveranstaltung zur „Großen Deutschen Kunstausstellung“ aufgezogen, eine Prestigeveranstaltung der NS-Kunst, fand die Ausstellung „Entartete Kunst“ in den Hofgartenarkaden statt, schräg gegenüber vom „Haus der Deutschen Kunst“. Neben einigen Bildern expressionistischer Künstler wurden Fotografien von geistig und körperlicher behinderter Menschen arrangiert. Jugendlichen war der Zutritt zur Ausstellung verboten, der Besucherandrang war so groß,  dass die Ausstellung, die ursprünglich auf vier Wochen angelegt war, verlängert wurde. Die Beschlagnahmung, die der Ausstellung in München vorausgegangen war, umfasste bis zu 22 000 Werke von bedeutenden Künstlern der klassischen Moderne. Sie wurden anschließend gewinnbringend verkauft, zerstört oder gelten seitdem als verschollen. Das Folkwang Museum in Essen, noch 1932 von Paul J. Sachs, Mitbegründer des M.O.M.A in New York aufgrund seiner umfangreichen Sammlung moderner Kunst als „das schönste Museum der Welt“ bezeichnet, verlor mehr als 1400 Arbeiten, darunter bedeutende Werke von Franz Marc, Max Beckmann oder Ernst Barlach.

Campendonk musste die Entfernung seiner Werke aus den deutschen Museen von seinem Exil in den Niederlanden aus verfolgen. Im Jahr 1934 war er nach Amsterdam emigriert, wo er eine Stelle an der Rijksakademie erhielt. Andere Künstler, wie der Bauhaus-Lehrer und Maler Oskar Schlemmer, blieben in Deutschland und erlebten die schrittweise Ausgrenzung aus dem beruflichen und gesellschaftlichen Leben vor Ort.

In der Villa Merländer in Krefeld, heute NS-Gedenkstätte, gestaltete Heinrich Campendonk zwei Wände im Kartenspielzimmer für den Seidenhändler und Großindustriellen Richard Merländer. Den Auftrag hatte Campendonk vermutlich aus wirtschaftlichen Gründen übernommen, er verhalf ihm jedoch zu einer wichtigen Referenz für seine Professur für Wandmalerei und andere Malereigattungen, eine Stelle, die er 1936 an der Kunstakademie Düsseldorf antrat. In den 1930er Jahren wurden die Gemälde übertapeziert und Merländer musste aus seiner Villa in Krefeld ausziehen. Als Jude verfolgt, war er 1941 gezwungen in ein sogenanntes „Judenhaus“ zu ziehen, er wurde deportiert und ein Jahr später im Ghetto Theresienstadt ermordet. 

Die beiden Bilder von Campendonk gerieten in Vergessenheit und blieben jahrzehntelang unter den Tapeten verborgen, bis sie erst 1989 wiederentdeckt und freigelegt worden waren. Heute sind die beiden einzigen noch erhaltenen Wandbilder von Heinrich Campendonk wieder zu besichtigen. Sie liegen einander gegenüber in dem im Erdgeschoss der Villa, heute Gedenkstätte und Kulturbüro der Stadt Krefeld, durch ein großes Fenster fällt Tageslicht in den engen Raum. Heinrich Campendonk hatte die beiden Bilder 1924 auf den trockenen Putz gemalt. Die dominierenden Farben der Bilder sind dunkle Grün- und Blautöne, darauf leuchten beige und braune Farben. Anhand der Motive lassen sich einerseits typische Sujets Campendonks erkennen, wie die großen Katzen oder den Clown, der in einigen kunsthistorischen Auseinandersetzungen als Selbstbild des Künstlers vermutet wurde. Andere Motive gehen vermutlich auf die Wünsche des Auftraggebers, des Seidenhändlers Richard Merländers zurück, der sich ein passendes Ambiente für sein Spielzimmer wünschte: Das überdimensionale Rad der Limousine, das auf dem linken Bild zu sehen ist, oder das Kartenspiel und das Schachbrett, die das andere Wandgemälde zeigen. Campendonk übersetzte dabei seine Bildmotive in geometrische Formen. 

Auf der Website der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ der FU Berlin, auf der gezielt zu künstlerischen Arbeiten recherchiert werden kann, die im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmt wurden, finden sich zu Campendonk 71 Einträge. Die Forschungsstelle wurde 2003 gegründet und besteht seit 2004 am kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin sowie am kunsthistorischen Seminar der Universität Hamburg. Zu der Druckgrafik „Der Tiger“, die 1916 von Campendonk aus Holz gefertigt wurde, lässt sich auf der Website erfahren, dass diese seit 1920 im Besitz des Städelschen Kunstmuseum in Frankfurt war. 1937 wurde der Druck von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und 1941 von Hildebrand Gurlitt aus Hamburg gekauft, einem der vier vom NS-Regime beauftragten Kunsthändler, die für den Verkauf der beschlagnahmten Werke ins Ausland zuständig war. Hildebrand Gurlitt selbst versteckte nach 1945 einen großen Teil der im Zuge der NS-Kulturpolitik anvertrauten Werke und behauptete öffentlich, die Arbeiten seien zerstört worden. 

Die beiden letzten Wandbilder von Heinrich Campendonk wurden Anfang der 1930er nicht aus Furcht vor Zerstörung von Richard Merländer überdeckt. Er hatte sich entschlossen, das Zimmer anderweitig zu nutzen und es in diesem Zuge neuzugestalten.

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