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Bergarbeit und Zwangsarbeit im Ruhrgebiet

Unternehmen und Wissenschaftler aus der Region erforschen die Verstrickungen der Bergbauindustrie im Nationalsozialismus

Verfasst am 01. Juli 2010

Die Gegend um Ruhr und Emscher wurde mit dem einsetzenden industriellen Bergbaus im 19. Jahrhundert zu einer der größten wirtschaftlichen Ballungsräume in Europa. Galt das Ruhrgebiet mit seiner Arbeiterschaft zum Beispiel in der Weimarer Republik noch als Hochburg der Sozialisten und Arbeiterbewegungen, entwickelte es sich im „3. Reich“ zu einem zentralen Motor der nationalsozialistischen Kriegspolitik: Im Sinne der Aufrüstung für einen menschenverachtenden Vernichtungskrieg hat das Regime um Hitler der Kohle- und Stahlversorgung eine entscheidende Rolle zugeschrieben.
Dementsprechend wurden die Bergarbeiter bis 1942 vom Kriegsdienst freigestellt, um die Produktion nicht zu gefährden. Als sich die Lage zunehmende verschlechterte, wurden schließlich auch die Bergleute eingezogen und durch Zwangsarbeiter, meist Kriegsgefangene aus den überfallenen Ostgebieten, ersetzt. Diese mussten unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen und schwersten Repressalien die Förderungen auf möglichst hohem Niveau halten, um die Kriegsmaschinerie nicht ins Stocken zu bringen.

So arbeiteten im Frühjahr 1941 bereits über 25 000 Kriegsgefangene und ausländische Zivilisten im deutschen und österreichischen Steinkohlebau, knapp zwei Jahre später waren über 200 000 so genannte Ostarbeiter zur Zwangsarbeit im Bergbau nach Deutschland verschleppt worden. Im letzten Kriegsjahr mussten in Außenstellen von Konzentrationslagern wie Buchenwald, Kriegsgefangenen- oder Fremdarbeiterlagern allein im Stadtgebiet Essen 220 000 Zwangsarbeiter und rund 75 000 Kriegsgefangene schuften. Obwohl ihre Arbeitskraft brutal ausgenutzt wurde, litten sie unter schlimmsten Bedingungen. Denn nicht nur Versorgung und Unterbringung, oft in Baracken auf dem Zechengelände, waren schlecht, sie waren darüber hinaus der Willkür nationalsozialistischer Verbrecher wie SS- oder Gestapo-Angehörigen und vielfach auch der Zechenleitungen ausgesetzt. Psychische und physische Gewalt gehörten zum Lebensalltag der Zwangarbeiter. Hier haben sich die Nazis nicht einmal mehr die Mühe gegeben, ihre Taten zu verschleiern: „Vernichtung durch Arbeit“ wurde im Ruhrgebietsbergbau zur traurigen Realität.

Neue Publikation zum Ruhrbergbau im Nationalsozialismus

Die Bedingungen, unter denen diese Zwangsarbeiter arbeiteten, lebten und starben, bilden den Mittelpunkt einer neuen, umfangreichen Publikation von Hans-Christoph Seidel. Das Buch entstand im Rahmen eines umfangreichen Forschungsprojekts zur Zwangsarbeit im deutschen Bergbau. Gefördert wird das Vorhaben von der RAG Aktiengesellschaft, die sämtliche Aktivitäten im heimischen Steinkohlabbau bündelt. Die Stiftung Bibliothek des Ruhrgebiets und das Institut für soziale Bewegungen (ISB) der Ruhr-Universität Bochum haben in diesem Rahmen die Zwangsarbeit im Kohlenbergbau des Deutschen Reiches und der besetzten Gebiete intensiv erforscht und die Ergebnisse in einer eigenen Schriftenreihe publiziert. Als Band 7 ist nun Seidels Untersuchung zur Geschichte des bedeutendsten deutschen Steinkohlenreviers, dem Ruhrbergbau, erschienen. Der Autor selber ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am ISB im Haus der Geschichte des Ruhrgebiets.

Buchtitel:
Hans-Christoph Seidel: Der Ruhrbergbau im Zweiten Weltkrieg. Zechen – Bergarbeiter – Zwangsarbeiter. Veröffentlichungen des Instituts für soziale Bewegungen,  Schriftenreihe C: Arbeitseinsatz und Zwangsarbeit im Bergbau, 7. Essen: Klartext-Verlag  2010, € 79,00. ISBN 978-3-8375- 0017-2.

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